Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
weiter das Mittagsgespenst zu zählen. Schon die alten Kirchen— 
schriftsteller des 6. Jahrhunderts schreiben eine Reihe von Krankheiten 
dem Mittagsteufel zu; seinetwegen wurden die Kirchen, welche sonst den 
ganzen Tag bis zum Abendläuten offen stehen sollten, während der 
Mittagsstunde zugeschlossen. In der Schweiz wandeln bei der vom 
Volke keineswegs als gnadenreich gehaltenen Mittagssonne die verwünsch- 
ten Schloßjungfern umher, und wie die Pest früher morbus merici- 
amus hieß, so ist auch das Mittagsgespenst der Wenden teilweise zu- 
gleich die Pestjungfrau. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, 
I. S. 67.) . 
Die slavische, zu den Feld- und Waldgeistern gehörende Marze— 
billa tritt ebenfalls im Erzgebirge auf. Sie führt die Leute ins 
Dickicht und an fruchtbare Stellen, wenn sie beten, überläßt sie aber 
ihrem Schicksal, wenn sie fluchen. 
Die Wehklage aber gehört teilweise wie das Klopfen an die 
Thüre, ohne daß jemand draußen steht, das Rufen des eigenen Namens, 
als ob derselbe aus weiter Ferne hertönte, und viele andere geheim— 
nisvolle Laute, aus denen das Volk auf Tod oder bevorstehendes Un- 
glück schließt, zu den Voranzeichen. (Rochholz a. a. O., I. S. 143.) 
Auf dem Harze ist die Klagemutter Frau Holle, (Henne-Am-Rhyn, a. 
a. O., S. 562.), anderwärts ist eine „Heulmutter“ oder „Frau Hel“ 
die Schattengöttin Hel, welche an dunkeln Furten sitzt. (Rochholz a. 
a. O., I. S. 90.) Nach einer Sage aus der Gegend von Fulda ist 
die Wehklage dagegen unverkennbar ein Waldgeist, denn man sagt da- 
selbst, wenn jemand sterben sollte, so sei eine Waldfrau von der wilden 
Frauen-Loch hergekommen und habe sich wehklagend in der Nähe des 
Sterbehauses gezeigt. (Wolf, Hessische Sagen, S. 53.) Eine erzge- 
birgische Sage bezeichnet die Klageweibel als Frauen verbannter 
Berggeister und Zwerge. — Wenn nach der Edda die Zwerge und 
Riesen dem Menschen in der Schöpfung vorangingen und weiter nach 
alter Uberlieferung von beiden Dämonen die Zwerge zuerst geschaffen 
wurden, um das wüste Land und Gebirge zu bauen (J. Grimm, 
Myth., S. 253.), so fügt noch eine Oberpfälzer Sage hinzu, daß alle 
Zwerge, da sich das trockene Land noch nicht abgeschieden hatte, zunächst 
im Wasser lebten. Sie waren demnach im Anfange gleich den Niren. 
Der männliche Nix, Necker oder Nicker, erinnert nach einer anderen 
Überlieferung wieder an den skandinavischen Odhin, dessen Beiname 
Nikarr ihn als den Wellen besänftigenden Meergott bezeichnet. (J. 
Grimm a. a. O., S. 276.) Der Nikur soll als schönes apfelgraues 
Roß am Meeresstrande erscheinen, und ein großes Pferd mit unge- 
heuren Hufen zeigt sich auf dem Wasser, wenn Sturm und Gewitter 
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