Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
menlaufen und lautes eilendes Gespräch vor seiner Hütte. Als 57 
hinaustrat, vernahm er, daß in der Grube ein großes Unglück gesche- 
hen sein müsse, denn das Gestänge stehe still und man höre in der 
Tiefe ein ungewöhnliches Brausen und Poltern. Bald rief die Berg- 
glocke die Arbeiter, welche sich nicht auf der Schicht befanden, beim 
Steiger zusammen, welcher wetterte und fluchte. Beim Zählen fehlte 
bloß der alte Martin, welcher am vorigen Tage die Erlaubnis erhal- 
ten hatte, in sein Geburtsdorf zu gehen. Nun ordnete der Steiger an, 
daß einer hinabsteigen müsse, um nachzusehen, was unten geschehen sei. 
zu veranlaßte er seinen eigenen Neffen, weil er ihm Gelegenheit 
verschaffen wollte, sich auszuzeichnen. „Ich verspreche Dir,“ so sagte 
er zu ihm, „einen Bericht an's Bergamt, der Dir den Untersteiger 
einbringen soll!“ Der Neffe weigerte sich anfangs, versuchte es dann, 
stieg wieder empor und bat schließlich, ihn zu verschonen, da ihn die 
Angst umbringe. Da stieß ihn der erzürnte Oheim in die Grube hinab 
und warf die schwere Fallthüre zu. — Unterdeß hatte sich die Kunde 
von dem Unglücke in der Grube weiter verbreitet, die Frauen und 
Kinder von mehr als zwanzig Bergleuten, die auf der Schicht arbei- 
teten, kamen herbei und überhäuften den Steiger mit Vorwürfen; 
unter ihnen war auch Marie, welche von tödlicher Angst um Daniel 
an den Unglücksplatz getrieben wurde. Da gebot der Steiger, durch 
die Vorwürfe erbittert, durch seines Neffen vorsätzlichen Mord noch 
mehr verwildert, Daniel solle nun hinab und ihm Kundschaft bringen, 
woraus er dann den Bericht abfassen könne. Daniel trat darauf, ob- 
wohl ihn Marie davon zurückzuhalten suchte, die gefährliche Fahrt an. 
Er tröstete seine Braut und sagte, sie würden sich gewiß wiedersehen. 
Der Steiger aber warf die Fallthür wieder zu, schob den Riegel vor 
und sagte lachend: „Der fromme Mann wird wayl pochen, wenn er 
wieder heraus will!“ Damit ging er nach seinem Hause. Auf 
Mariens Bitten öffneten die oben stehenden Bergleute den Schacht 
wieder und das Mädchen lauschte hinab. Plötzlich rief sie aus: „Ich sehe 
ein Licht in der Tiefe!“ und dann wieder: „Gottlob, es ist Daniel!“ 
So war es. Daniel stieg glücklich hinauf, alle Arme streckten sich nach 
ihm aus, um ihm zu helfen. Um seinen Leib hatte er ein Seil ge- 
schlagen, und an dem Seile hing der leblose Körper des vom cigenen 
Onkel hinabgestürzten Neffen. Das erste, was Daniel that, war, des 
Neffen Schläfe zu reiben; man entzündete Sprengpulver vor dessen 
Nase, und endlich gelang es den vereinten Bemühungen, ihn wieder 
zum Leben zurückzurufen. Als er die Augen aufschlug, sah er Daniel 
und stammelte: „Daniel, unschuldiger, verleumdeter Daniel, zweimal 
mein Retter, ach, vergieb!“ Dieser drückte ihn an sein Herz. Während 
— 
136 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.