Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
dessen war ein höherer Bergbeamter mit dem Steiger an die Grube 
gekommen. Der Bergoffizier beugte sich über den Schacht, starrte 
hinab und sagte: „Unglaublich! die Wässer steigen noch immer. Seht 
nur selbst, Obersteiger!“ Dieser eilte herbei, sich weit über den Abgrund 
legend. Aber plötzlich fuhr, allen sichtbar, eine Riesenfaust aus der 
Tiefe, drehte im Nu des Steigers Angesicht auf den Nacken, daß man 
alle Wirbel brechen hörte, hielt das gräßlich verzerrte, blaue Toden— 
antlitz der Menge entgegen und verschwand mit seinem Raube unter 
der Flut. Darauf hörte man ein fürchterliches Donnern in der Tiefe. 
Als sich die Umstehenden von ihrem Schreck etwas erholt hatten, sprach 
der Bergbeamte sehr ernst: „Gott hat gerichtet und meinen schwachen 
Händen dies Amt entnommen! denn auch ich war gekommen zu richten!“ 
Er erzählte nun, wie die Unredlichkeit des Steigers dem Bergamte 
bekannt geworden sei, und wie er vor seiner Abreise von dem alten 
Martin, den er als einen frommen Bergmann kenne, noch mehr voll- 
giltige Beweise der Schuld erhalten habe. Hier an der Grube habe 
er den unredlichen Mann seines Amtes entsetzen und zur Strafe ziehen 
wollen. Und als der Bergoffizier nun weiter von Daniel hörte, wie der- 
selbe in der Grube seinem Tode in den hereinbrechenden Wassern entgangen 
sei und wie er den Körper des Neffen vom Steiger gefunden und auf wun- 
derbare Weise gerettet habe, da erkannten er und alle Anwesenden die Hand 
Gottes und die Hülfe des Berggeistes. Daniel war mit dem Körper des von 
seinem Onkel Hinabgestürzten von den Fluten verschlungen worden, 
und als er wieder zum Bewußtsein kam, fand er sich mit letzterem in 
einer geräumigen, trocknen Halle, zu seinen Füßen stand die angezün- 
dete Blende und lag ein Stück Seil. So gelang es ihm, wieder die 
Fahrt zu gewinnen und den leblosen Körper mit hinauf zu ziehen. — 
Der Bergoffizier ernannte hierauf Daniel im Auftrage des Bergamtes 
zum Untersteiger an der Grube St. Barbara, und ebenso wies er 
auch dem alten Martin einen Zuschuß an, der es ihm erlaubte, den 
Rest seines Lebens außer der Grube zuzubringen. Darauf schied der 
Beamte von ihnen, indem er dem Daniel noch Glück zu seinem neuen 
Berufe wünschte. 
Nach acht Tagen war Marie Daniels glückliches Weib. Der 
Berggeist erschien zwar nicht wieder, aber mehrfach konnten die Glück- 
lichen seine Nähe spüren. Zwar blieb die ersoffene Grube liegen, je- 
doch entdeckte Daniel in demselben Reviere die herrlichsten Anbrüche. 
Die Grube ward nach seinem Namen „Daniel-Zeche“ genannt, gab 
überreiche Ausbeute und baute sich gut aus. Als aber nach einem 
Jahre Daniel den Beamten und den alten Martin zu Gevattern bei 
seinem neugeborenen Söhnlein bat und ersterer ihm die Ernennu 
. – 
  
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