203. Der Nix im Grundtümpel bei Wildenau.
(Nach Ziehnerts poet. Bearb. bei Gräße a. a. O., No. 578.)
Einst wohnte ein alter Fischer am Ufer der Pöhl, der hatte
eine wunderschöne Tochter. Dieselbe hatte sich aus der großen An—
zahl ihrer Anbeter einen der hübschesten jungen Burschen ausgesucht.
Nun war sie aber heitern und muntern Sinnes, und daher kamen oft
aus dem benachbarten Dorfe die jungen Mädchen und Burschen bei
ihrem Vater zusammen und vertrieben sich die Zeit mit heiteren
Scherzen und Spielen. Da begab es sich einst, am Andreasabend,
daß das junge Volk auch wieder beisammen war und im Scherz da—
rauf kam, die Zukunft zu befragen. Man schaffte Blei herbei und
ein jeder versuchte sein Glück mit Gießen. Als nun die Reihe auch an
die schöne Fischerstochter kam, da spritzte auf einmal beim Guß helles
Feuer aus dem Wasser, das Blei zerfuhr und nahm sich auf dem
Wasser wie Blutstropfen aus. Das Mädchen schrie laut auf und alle
schwiegen bestürzt ob des traurigen Anzeichens. Endlich schlug ihr
Bräutigam vor, das Schicksal noch einmal zu befragen, nämlich nach
dem Pöhlwasser zu gehen und dort Reiser zu suchen. Zwar wollte
das Mädchen nicht mit fort, allein durch Zureden ließ sie sich endlich
bewegen mit zu gehen; alle ihre Begleiter brachen sich ihre Zweige,
als aber die Fischerstochter nach einem derselben langen wollte, glitt
sie aus und ein Nix zog sie hinab in die Fluten. Der Nix sah am
ganzen Leibe blau aus und trug auf dem Haupte ein Krönlein. Ver—
zweiflung erfaßte den Bräutigam und den betagten Vater. Letzteren ent—
rückte der Tod bald seinen irdischen Leiden, der Bräutigam aber irrte
jede Nacht am Ufer der Pöhl in halbem Wahnsinn herum und be—
hauptete, er sähe seine Braut in blauer Nixentracht aus der Flut auf—
tauchen, sie breite die Arme nach ihm aus und rufe ihm zu, in einem
Jahre werde sie wieder mit ihm vereinigt sein. So verging ein
Jahr; der sonst so blühende Jüngling war fast zum Schatten zusammen—
geschwunden, und als die Andreasnacht kam, da war er an seinem ge—
wöhnlichen Orte. Allein dieses Mal sahe er seine Braut nicht mehr
aus den Fluten winken, als Leiche lag sie im Sande, und als der
andere Morgen kam, da fand man ihn neben ihr tot liegen und be—
grub beide in einem Grabe. Seit jenem Tage aber sieht man dort un—
zählige Irrlichter auf- und abfliegen, die manchen schon verführt haben;
wo aber der Nix das Mädchen hinabzog, da ist das Wasser grundlos
geworden, ohne Unterlaß wirbeln die Wellen dort im Kreise und wehe
dem Schwimmer, Kahn oder Floß, die sich dahin verirren, der Strudel
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