Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
lange heraus, bis nichts mehr im Töpfchen sei. Andere 
Eier aus den Schalen in des Kindes Brei und der Mutter Suppe 
und hängen solche hohle Eierschalen samt etlichen Kartenblättern und 
anderen leichten Sachen mehr mit Zwirn an die Wiege des Kindes, 
daß es frei schwebe. Wenn nun die Thür aufgemacht wird, oder es 
geht und bewegt sich jemand in der Stube, also daß die am Faden 
schwebenden Sachen sich in der Luft bewegen, so sagen die Weiber, 
man solle nur acht geben, wie das Jüdel mit den Sachen an der 
Wiege spiele. Wenn zuweilen die Kinder rote Flecke haben, da sagt 
man, das Jüdel habe sie verbrannt; dann soll man das Ofenloch mit 
einem Speckschwärtlein schmieren. Das Jüdel spielt aber auch des 
Nachts mit den Kühen, dann werden sie unruhig und brummen, macht 
man aber Licht an, so sieht man nichts. Ebenso geht es in die Pferde— 
ställe und fängt an die Pferde des Nachts zu striegeln, dann werden 
dieselben wild, beißen und schlagen um sich, ohne daß sie sich des Ge— 
spenstes, welches auf ihnen hockt, entledigen können. Um das Jüdel 
als Hausgeist zu unterhalten, muß man ihm Bogen und Pfeile und 
Spielsachen in den Keller und die Scheune legen, damit es damit 
spiele und Glück in's Haus bringe. Wenn aber die Wöchnerin vor 
demselben ganz sicher sein soll, so muß ein Strohhalm aus ihrem Bette 
an jede Thür gelegt werden, dann kann weder das Jüdel noch ein 
anderes Gespenst herein. 
Man will auch das nächtliche Fallen, welches einen Tod anzeigen 
soll, mit dem Jüdel in Verbindung bringen. 
In Scheibenberg diente vor Jahren eine alte Magd, welche bei 
solchem nächtlichen Fallen sagte: „Gütchen, ich geb' dir mein Hütchen, willst 
du den Mann, ich gebe dir den Hahn willst du die Frau, nimm hin die Sau; 
willst du mich, nimm die Zieg'; willst du unsere Kinder lassen leben, 
so will ich dir alle Hühner geben!“ Es ist in Elterlein geschehen, daß 
man bei solchem gespenstischen Fallen eine Henne oder Ziege dem Un- 
getüme gegeben, auch solche Stücke des Morgens tot gefunden hat. 
  
Das erzgebirgische „Jüdel“ ist das „Gütel“ (Heugütel) der vogtl. Sage, oder 
das „Hütchen“ in den deutschen Sagen der Brüder Grimm (I. No. 75.) Es ist 
ein guter, hülfreicher Hausgeist, dessen Name jedenfalls auf „gut“ zurückweist. Es 
mag hierbei auch an das in Oberungarn gebräuchliche „Gödchen“ für Patenkind und 
an das oberösterreichische „Göd“ ein Taufkind, hingewiesen werden. Göthe spricht 
im Faust von den „frommen“ Gütchen. In mancher Beziehung hat es Ahrlichkeit 
mit den Kobolden, welche in Gestalt kleiner Kinder erschienen. 
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