235. Der Otternkönig und die Schlangenkönigin.
(Joseph Fritsch in der Erzgebirgs-Zeitung, 3. Jahrg., S. 114. Groh-
mann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, 1. B.
1864, S. 79.)
Die Beerensammler im Erzgebirge erzählen von einem Ottern-
könige, welcher ein goldenes Krönlein trägt und über das ganze Nattern-
gezücht herrscht. Derselbe hat die Gewohnheit, in einer Quelle zu baden
und zu trinken; weiß man die Stelle und breitet daselbst ein weißes
Tuch aus, neben das man eine Schüssel mit Semmel und Milch ge-
stellt hat, so legt dann der Otternkönig sein Krönlein während der Mahl-
zeit auf jenes Tuch. Wer sich desselben schnell bemächtigt, dem bringt
es Reichtum und Glück; wird er aber von den durch das Pfeifen des
Königs gerufenen und von allen Seiten herbeieilenden Nattern erreicht,
so ist er unrettbar verloren.
In Schönlinde erzählt man: Wenn man mit Schlangen und
Nattern in guter Freundschaft leben will, muß man sich vor allem
die Schlangenkönigin zur Freundin machen. Dies geschieht, wenn man an
einem heißen Tage zum Waldrande geht, ein weißes Tüchlein ausbreitet
und ein Schüsselchen Milch mit Weißbrot darauf stellt. Jeden Tag
muß man das thun, bis die Schlangenkönigin endlich ihr Krönlein auf
dem Tuche liegen läßt. Wer dies Krönlein hat, ist vor Schlangen
und Nattern sicher.
S. die Einleitung. Sagen vom Schlangenkönige oder der Schlangenkönigin,
welche goldene Kronen tragen, finden sich allgemein. Im Fichtelgebirge wird erzählt,
daß die eine goldene Krone tragende Schlange zuweilen zu den Kindern in die Stube
kommt und dort ihre Krone ablegt, mitunter auch beim Weggehen vergißt. Einige
behaupten, es sei ein Ei, besetzt mit kostbarem, strahlendem Gestein. (Zapf, Sagen-
kreis des Fichtelgebirges, S. 49.)
236. Die Riesenrippe zu Nossen.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 365. Alfr. Moschkau in
der Saxonia I., S. 22 und 23. Moschkau, Führer durch Nossen und
Altzella, S. 8.)
In dem großen und gar zierlich gewölbten, aus dem Kloster
Altzelle stammenden Hauptportale der Kirche zu Nossen hängt seit un-
denklichen Zeiten ein sonderbares Gewächs, welches von einigen für
die Rippe eines Meerwunders oder Elephanten, von anderen für die
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