Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
7 Fenster gekommen, und bald darauf wären noch mehrere r#e 
welche sich sämtlich vor der Hausthüre niedergelassen hätten. Auf ein- 
mal wäre aber der Wirt atemlos in das Haus gestürzt gekommen, 
hätte dem sonst sehr lieben Freunde eine Ohrfeige gegeben, das Buch 
weggenommen und die Worte gesprochen: „Wäre ich nicht gekommen, 
so wärest Du in einer Viertelstunde tot gewesen, denn die Krähen 
hätten Dich umgebracht!“ 
Daran ist bloß das Lesen in dem geheimnisvollen Buche schuld 
gewesen. 
  
*— 
Die Raben, an deren Stelle bei uns im Glauben des Volkes auch die Krähen 
und Dohlen getreten sind, gelten als Teufelsvögel, deren Erscheinen gewöhnlich Un- 
glück und insbesondere einen Todesfall verkündet. Nach einem slavischen Aberglauben 
sind überhaupt Vögel die Seelen Verstorbener; Raben und Krähen gelten als die 
Seelen Verdammter. Nach Aargauer Sagen entschweben die Seelen der Erlösten 
in Gestalt von Tauben, die von Verwünschten und Erhängten dagegen verwandeln 
sich in Raben. (Rochholz, a. a. O. I., S. 156.) Auf dem Kirchhofe zu Scherpen- 
heuvel wurden die Nahewohnenden nach dem Begräbnisse eines Mannes, der ein 
schlechtes Leben geführt hatte, durch das Geschrei eines Raben in ihrer nächtlichen 
Ruhe gestört. (Nork, a. a. O., S. 275.) 
Wie unter dem Einflusse der christlichen Bekehrer die alten heidnischen Gott- 
heiten zu dämonischen und teuflischen Gestalten wurden, so auch die ihnen einst ge- 
heiligten Tiere. Auf den Schultern Odhins saßen zwei Raben, „Hugin und 
Munin“, d. h. Gedanke und Erinnerung, welche jeden Tag durch die Welt flogen 
und dann dem Gotte Nachrichten ins Ohr raunten. In Erinnerung an diese einst 
dem Gotte beigegebenen Vögel erzählt die Sage, daß der Kaiser Friedrich Barbarossa, 
auf dessen Gestalt, ebenso wie auf die anderer beliebter Helden, Odhin übertragen 
wurde, im Kyffhäuser einen Hirten frug, ob noch die Raben um den Berg flögen. 
Nach einer lausitzischen Sage dagegen wurde der wilde Jäger, d. i. Odhin, in einen 
Nachtraben verwandelt. 
  
259. Die unheimlichen Gäste in Werda. 
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 537.) 
In dem Dorfe Werda bei Falkenstein lebte ein junger Mann, 
der saß an einem Sonntagsabende im Winter ganz allein zu Hause 
und hatte ein Buch aus einem alten Schranke zur Hand genommen, 
um darin zu lesen. In dem Buche aber waren verschiedene Zeichen 
und Figuren, die er sich nicht sogleich ausdeuten konnte. Deshalb zog 
er die Lampe näher an sich heran, um besser sehen zu können. Als 
er nun so eine Weile im Lesen und Ausdeuten vertieft ist, blickt er 
zufällig in die Höhe, fährt aber wieder erschrocken zurück, denn zu dem 
kleinen Schiebefenster herein sieht ein rabenschwarzer Mann mit grin- 
  
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