1 Eine Mutter mit ihrem Kinde ging gerade am Karfreitage an
dem Felsen vorbei und erblickte in der offenen Höhlung geschäftige
Männchen, die ein Festmahl vorrichteten und ihr winkten, einzutreten
und von den Schätzen zu nehmen. Die Frau trat schüchtern ein, setzte
das Kind auf den Boden nieder und begann eifrig ihre Schürze mit
Goldbarren und Edelsteinen zu füllen, als sich, da der Gottesdienst in
der Kirche schon zu Ende war, das Felsenthor mit großem Getöse
wieder schloß. Die Frau mußte nun ein ganzes Jahr im Felsen zu—
bringen, während welcher Zeit das Kind kräftig und stark wurde. Am
nächstfolgenden Karfreitag konnte die Frau frisch, gesund und mit
Schätzen beladen nach Hause ziehen; von ihr erfuhr man auch, daß
die Wächter, sobald der Eingang sich geschlossen, zu Stein verwandelt
wurden.
Einst pflügte am Karfreitage ein Bauersmann in der Nähe des
Felsens, erblickte ihn offen und sah darin allerlei Gestalten, die Vor—
bereitungen zu einer Hochzeit machten. Im Vorbeigehen rief er hinein:
„Backet mir auch einen Kuchen mit!“ Er ackerte dann rüstig bis zum
Mittag fort, dann spannte er aus, gab den Ochsen zu fressen und nahm
auch selbst sein mitgebrachtes Mittagsmahl ein. Schon hatte er eine
Weile still gesessen, als ein winziges Männlein erschien und die bestell-
ten Kuchen auf den Pflug legte. Der Bauer, eine Vergiftung fürch-
tend, hatte nicht den Mut, die Kuchen selbst zu verzehren; er zerbröckelte
sie und fütterte seine Ochsen damit. Als er damit fertig war, erschien
jenes Männlein wieder, drohte ihm mit dem Finger und sagte: „Weil
du unsere Kuchen verschmähst, die du selber bestellt hast, so soll für
diesen Undank deine Wirtschaft kein Glück und keinen Segen mehr
haben.“ Und diese Prophezeiung ging wirklich in Erfüllung, den Bauer
traf Unglück über Unglück, er mußte endlich das Haus mit den Fel-
dern verkaufen und wurde ein armer Mann.
300. Die Schätze der Burg Niederlauterstein bei Zöblitz.
(Wg. im „Glückauf“, 2. Jahrg., No. 5.)
Unweit der Stadt Zöblitz an den Ufern der Pockau liegen die
Ruinen der alten Burgen Ober= und Niederlauterstein. Die Burg
Oberlauterstein, /¼1 Stunde westlich von Zöblitz über dem rechten Pockau-
ufer auf einer felsigen Bergecke, wurde schon im Jahre 1430 von den
Hussiten, die eben von der Verwüstung der Schneeberger Bergwerke
herkamen, geschleift. Das Schloß Niederlauterstein, nur einige Minu—
ten unterhalb davon am linken Pockauufer, erhielt sich über 200 Jahre
länger. Vieles erzählt man sich von den früheren Besitzern desselben,
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