3
auf die Leiter, die er zur leichteren Vollführung seiner Arbeit r 9
hatte. Als er mitten auf der Leiter stand, hörte er plötzlich seine
Frau ängstlich rufen: „Hans, komm'’ herauf, das Kind hat's Bein ge-
brochen!“ Vor Schrecken ließ er das Kistchen fallen und lief in die
Stube, in welcher die Frau das lächelnde Kind in der Wiege schaukelte.
Seine Verwunderung steigerte sich, als er erfuhr, daß seine Frau ihn
gar nicht gerufen habe. Nachdem Hans den Vorfall seinem Weibe er-
zählt hatte, eilte er nach dem Orte zurück, um das in seiner Be-
stürzung weggeworfene Kistchen zu holen, welches er jedoch trotz allen
Suchens nicht wiederfand.
Glücklicher war ein anderer Nachbar, der in späteren Jahren vor
seinem Hause ein glühendes Kohlenhäufchen sah. Er nahm eine Schürze
und deckte dasselbe vorsichtig zu. Dann ging er in sein Haus, holte
ein Gefäß, in welches er das Häuschen schüttete, und trug es in den
Keller. Des andern Tages sah er nach und siehe! aus den Kohlen
waren lauter blanke Goldstücke geworden.
312. Die Johanneskapelle zu Joachimsthal.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 39.)
Auf einer felsigen Anhöhe an der Ostseite von Joachimsthal er-
hebt sich die weithin sichtbare Johanneskapelle, die mit einem Wohn-
gebäude in unmittelbarer Verbindung steht. Über die Entstehung dieses
Kirchleins erzählt die Sage folgendes:
Als der Bau der Hospitalkirche zu Joachimsthal in Angriff ge-
nommen wurde, wohnte im sogenannten „Seidl-Koch-Haus,“ dessen
Ruinen seit dem gewaltigen Brande vom 31. März 1873 noch heute
zu sehen sind, der Bergbeamte Vogelhaupt, welcher neben seinem Be-
rufsamte die Geschäfte eines Spitalrechnungsführers versah. — Da
geschah es, daß beim Grundgraben dieser Kirche ein Maurer eine eiserne
Kiste fand, die sehr schwer war. Deshalb schaffte sie Vogelhaupt
mittels eines Pferdegespanns auf heimliche Weise zu seiner Wohnung.
Dabei zersprengte sich wegen der allzu großen Last eines der Pferde.
In der Kiste lag ein Schatz nebst einer Urkunde, in welcher es hieß,
daß derjenige, der die Kiste finde, von dem darin enthaltenen Gelde
möge ein Kloster errichten lassen. Vogelhaupt eignete sich wohl die
gefundenen Schätze an, erfüllte jedoch nicht die daran geknüpfte Be-
dingung. Erst seine Nachkommenschaft, die von dem reichen Funde
genaue Kenntnis hatte, suchte ihr geängstigtes Gewissen durch den Bau
einer Kapelle einigermaßen zu beruhigen. Und so errichtete denn Johann
–
262