Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
wändern und mit schwarzen Schärpen durch die Stadt zum Fried- 
hofe hin. Und als man den heiligen Boden betrat, unter dem die 
Lieben ruhten, welche im letzten Jahre gestorben waren, da erscholl 
laute Klage und Wehegeschrei. In der Kirche aber las der Pfarrer 
cin Totenamt und vom Chor erklang das „Dies irae!“ wie an einem 
Allerseelentage; doch von Stund an erkrankte niemand mehr, und wer 
schon krank war, fand meistens Genesung. Acht Wochen später war 
die Seuche beendet, und der Pfarrer konnte am weißen Sonntage 
die Pestilenzpredigt halten. Die Erinnerung an jene schreckliche Zeit 
aber — so sagt der Chronist — lag den Görkauern noch lange in 
den Gebeinen, und sie haben durch manches Jahr keine Hochzeitsmas- 
kerade mehr am Faschingsdienstage gehalten. 
  
412. Meineid wird bestraft. 
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 367.) 
Im Jahre 1627 zankte sich Matthes Becker, Bauer zu Pappen- 
dorf, mit seinem Grenznachbar, Christoph Dehner, um ein geringes 
Wiesenflecklein, und als sie nicht konnten verglichen werden, nahm er 
es auf sein Gewissen. Darauf hat es ihm der, dem Unrecht geschah, 
in Gegenwart des Amtsschössers von Nossen, Matthäus Horn, und 
hiesiger Gerichten, mit diesem Glückwunsch cediert und überreicht: 
„So nimm's hin und laß Dir's auf der Seele verbrennen!“ Von selbiger 
Zeit an ist gedachter Becker von Tage zu Tage schwermütiger geworden, 
endlich am 28. August nächstfolgenden Jahres um Mitternacht aus dem 
Bette weggelaufen und hat sich ersäuft, wessen man ihn frühmorgens 
unter dem blauen Steine im Striegnitzbache tot angetroffen, nur ein 
Schlafmützlein und Hemd an sich habend. 
413. Der bestrafte Gotteslästerer zu Zwickau. 
(T. Schmidt, Chron. y#n. II. S. 437. Misander, Deliciae Hist., 
S. 277. Gräße, Sagenschatz 2c. No. 608.) 
Im Herbst des Jahres 1594 ist zu Zwickau M. Wolfgang Raabe, 
eines Tuchmachers Sohn daselbst verstorben, welcher etliche Jahre 
rasend gewesen war und an Ketten gelegen hatte. Es hat ihn aber 
Gott also wegen Gotteslästerung gestraft. Als nämlich etliche Profes- 
soren zu Wittenberg die gotteslästerische calvinische Lehre eingeführt. 
hat sich dieser M. Raabe auch mit verführen lassen und ist es mit ihm 
1 soweit gekommen, daß er sehr schimpfliche und gotteslästerische Reden, T 
  
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