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441. Die Muttergottesstatue in Maria-Sorg.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 57.)
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Dreiviertel Stunden von der Bergstadt Joachimsthal entfernt
liegt die zerstreute Ortschaft Mariasorg, welche ein Kapuzinerhospiz
sitzt, in dessen Kirche sich am Hochaltare eine Muttergottesstatue
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findet, zu der alljährlich zahlreiche Wallfahrer und Andächtige von fern
und nah wegen der vielen Wunder pilgern, durch welche Gott das
Bildnis der heiligen Jungfrau Maria verherrlichte. An dieses Gnaden-
bild knüpft sich folgende Sage:
Zur Zeit, als M. Johannes Mathesius, Luthers Schüler und
Tischgenosse, in Joachimsthal als Pfarrherr wirkte, bewohnten „das vor
alters benannte rote Haus im untern Viertel des Türkners“ mehrere
Protestanten und ein Mädchen, welches der römisch-katholischen Kirche
treu geblieben war. Von den vielen Heiligenbildern, mit denen es das
Kämmerlein geschmückt hatte, erfreute sich besonders eine alte, verbräunte
Muttergottesstatue einer hohen Verehrung seitens des Mädchens. Un-
gestört kniete dieses oft stundenlang vor derselben und flehte mit
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falteten Händen zur Jungfrau Maria, der gnadenreichen Himmels-
königin. Allein bald erfuhren die Hausgenossen von der stillen Anda
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welcher sich das Mädchen hingab, und zwei Brüder, eifrige Protestanten,
faßten den Entschluß, diesen religiösen Ubungen für immer ein Ende
zu machen. Der eine der Brüder bemächtigte sich eines Tages
der
Statue und wollte sie mit dem Angesichte gegen die Mauer annageln,
wovon das Zeichen noch heute an dem Hinterhaupte des Bildes
zu
sehen sein soll, fiel aber zur Strafe für seine Frevelthat von der Leiter
und starb. Der andere warf hierauf das Marienbildnis in den Winkel
eines im Hause befindlichen Hühnerkämmerleins, wo es, durch Schmutz
entstellt, viele Jahre versteckt blieb, bis mit der Vertreibung der Pro-
testanten der Katholicismus in Joachimsthal wieder feste Wurzeln faßte.
Damals geschah es, daß David Weidner aus Plan sich daselbst
niederließ und mehrere, von den Protestanten verlassene Bürgerhäuser,
darunter auch das rote Haus, kaufte. Zu seiner Überraschung fand
er
in letzterem die Muttergottesstatue in dem Hühnerkämmerlein; er ließ
sie als guter Katholik absäubern und hielt sie lebenslang in Ehren.
Weidner starb um das Jahr 1676 als Stadtrichter und vererbte das
Bildnis seiner Tochter Anna Lucia, verehelichten Mader, die dasse
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als Heiligtum aufbewahrte und andächtig in ihrem Wohnzimmer ver—
ehrte. Als darauf in den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts die
Jaoachimsthaler Gemeinde an dem denkwürdigen Orte, wo des Einsied-
lers Niavis kleine Kapelle gestanden, die bei Einführung des Luth
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