nt Das treuherzige Wesen des jungen Mannes, der erzählte, 55
viel Elend er schon habe ertragen müssen, gefiel dem Herrn von Rechen-
berg und er nahm ihn in seinen Dienst.
Georg — so hieß der junge Bursche — war munter und flink
auf den Füßen, er flog gleichsam wie ein Pfeil, wenn ihn sein Herr
irgendwo hinsandte, und seiner thätigen, willfährigen und geschickten
Hand glückte alles wunderbar, ja, es schien ordentlich, als wenn ein
besonderer Segen auf seinem Thun ruhte. Ein außerordentliches Er-
eignis sollte seine Verdienste um das Haus Rechenberg noch mehr ins
Licht stellen.
Einst versetzten Flüchtlinge aus der nahen böhmischen Pflege die
Bewohner der Burg Rechenberg in lebhafte Aufregung, denn sie mel-
deten, daß einige bekannte böhmische Raubritter mit ihren Mannen sich
der Grenze näherten und mordend und sengend das Land verwüsteten.
Darüber ward Kurt von Rechenberg sehr betrübt und er beschloß nach
Rücksprache mit seinem Vogte einen Kundschafter auszusenden, um zu
erfahren, wie stark die Zahl der Feinde sei. Niemand erschien ihm
dazu geeigneter als sein flinker Diener Georg. Derselbe dankte für
den ihn ehrenden Auftrag und wenige Minuten später jagte er auf
flüchtigem Rosse hinaus zum Burgthore, dem Feinde entgegen. Bereits
am andern Morgen kehrte der Knappe in das Schloß zurück. Zum
Erstaunen der Burgbewohner befanden sich zwei gefüllte Säcke, einer
hinten und einer vorn, auf dem Gaule. Ritter Kurt stand unter dem
Thor, und befremdet wegen des seltsamen Aufzuges fragte er: „Was
klirrt denn so um Deinen Sattel?“ Georg antwortete wohlgemut:
„Seid getrost, Herr Ritter, alles hat gute Wege. Das sind Hufeisen,
die ich den Pferden abgerissen habe, während die Feinde schliefen.
Vorsichtig und dennoch sonder Hast eilte ich den Raubgesellen entgegen,
immer der Grenze entlang, bis ich sie in der Nähe des Dorfes Ein-
siedel erblickte. Es war schon finstere Nacht und alle hatten sich sorg-
los dem Schlafe überlassen. Deshalb machte ich mich unverweilt an
die Arbeit und glaube damit unsern Feinden einen recht üblen guten
Morgen geboten zu haben, denn ohne Hufeisen sind die Spitzbuben
nicht imstande, die Gebirgspfade zu bereiten, und noch viel weniger
möchte es gelingen, hier herum so viel Eisen aufzutreiben, als ihnen
fehlen. Damit ihr aber, gestrenger Herr, die Anzahl der Feinde
schätzen möget, bracht' ich die Eisen gleich mit, da die Dunkelheit der
Nacht mich hinderte, die Feinde zu überzählen. Nun ist es wohl mit
uns bestellt, und ruhig können wir uns rüsten, bevor sie sich uns nahen.“
Der Burgherr lächelte zufrieden und sagte: „Du bist, traun, ein selt-
samer, aber vortrefflicher Bursche!“ Dann setzte er, zu dem Vogte
□— 1 –w
394