Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
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Einst (im 17. Jahrhundert) soll ein Müller in Zwönitz eine „2 
schöne Tochter gehabt haben, die mit dem Förster von Grünhain heim— 
lich versprochen war; derselbe war übrigens mit den übrigen Gliedern 
ihrer Familie so gut wie gar nicht bekannt. Nun hatte aber der Müller 
auch einen Sohn, von dem er sich losgesagt hatte, weil derselbe ohne 
seine Erlaubnis die Tochter des Scharfrichters geehelicht und damit nach 
den Ansichten jener Zeit seine Familie beschimpft hatte. Gleichwohl 
kamen die Geschwister an diesem und jenem Orte mit einander zusammen, 
und als nun eines Tages die schöne Müllerstochter in die Schenke 
wo sie ihren Liehaber zu treffen dachte, zum Tanz gegangen war, traf 
sie ihren Bruder mit seiner Frau und konnte es ihm natürlich nicht 
abschlagen, ein Tänzchen mit ihm zu machen. Während dem war aber 
der Förster angelangt und gleich vom Pferde aus, wie er war, auf 
den Tanzsaal geeilt; als er nun seine Braut in den Armen eines ihm 
Fremden erblickte und sah, wie sie freundlich mit ihm scherzte, ergriff 
ihn rasende Eifersucht. Er lockte sie also unter Schmeichelworten auf den 
Ziegenberg, indem er vorgab, er habe bei dem schnellen Ritte etwas 
im Walde verloren und sie solle ihm suchen helfen. Das Mädchen 
ging auch, nichts Böses ahnend, mit; als sie aber an eine recht wilde, 
verwachsene Stelle des Berges kamen, warf er ihr ihre Untreue vor 
und erstach sie, ohne nur ihre Verteidigung anhören zu wollen. Leider 
hatte er nur zu sicher getroffen, die Unglückliche gab in wenigen Minuten 
ihren Geist auf, indem sie nur noch so viel Zeit hatte, ihrem Mörder 
zuzurufen, ihr vermeintlicher Verführer sei ihr Bruder gewesen, den er 
noch nicht gekannt habe. In wilder Verzweiflung warf sich der Förster 
über die Sterbende, allein er vermochte sie nicht wieder ins Leben zu- 
rückzurufen. Er eilte also auf den Tanzsaal und schrie ihrem Bruder 
zu, er habe seine Schwester gemordet, er wolle sich selbst dem Gerichte 
übergeben. So geschah es auch. Da er den Tod suchte, dauerte die 
Untersuchung nicht lange, schon nach drei Monden fiel sein schuldiges 
Haupt zu Grünhain auf dem Schafott; auf dem Flecke aber wo die 
blutige That geschehen, ward ein Rosenstrauch gepflanzt, dessen weiße 
Rosen des Nachts wie mit Blut besprengt aussehen und der seine 
Blätter traurig zur Erde zu senken scheint. Um Mitternacht aber kommt, 
wenn böse Zeiten bevorstehen, ein Reiter, dem Kopf unter dem Arme, 
vom Grünhainer Hochgericht nach dem Rosenstock geritten, verweilt 
kurze Zeit daselbst und kehrt dann wieder zurück. 
  
Der letzte Teil der Sage erinnert an die poctische Vorstellung, daß die ent- 
weichende Seele eine aufblühende Blume ist, durch welche sie auch symbolisch darge- 
stellt wird. Die weiße Rose, welche des Nachts wie mit Blut besprengt dasteht, ist 
D die Seele des ermordeten Mädchens. Die Seelen Verstorbener wachsen als Blumen 
  
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