habe seinen Sohn zerrissen. Den Knaben aber ließ er als seinen 22
nen Sohn erziehen und flößte ihm dabei tiefen Haß gegen das Grafen—
geschlecht in Rothenhaus ein.
Bei einem Überfalle venetianischer Kaufleute geriet der Raub—
ritter von Neustein mit dem Grafen von Rothenhaus, welcher zufällig
an der Spitze seiner Leute an den Ort der Unthat kam und die Be—
drängten verteidigte, in Kampf und wurde dabei zum Tode verwundet.
Nur mit Mühe entkam er auf seine Burg, wo er auf dem Sterbelager
sich von seinem angeblichen Sohne einen Eid leisten ließ, daß derselbe
an dem Grafen Rache nehmen wolle. Darauf starb er. Nach einiger
Zeit gelang es dem nunmehrigen Herrn des Neusteins, die Tochter
des Grafen von Rothenhaus zu rauben und durch einen geheimen un—
terirdischen Gang auf seine Burg zu führen, wo er sie gefangen hielt.
Als er sie nun sogar zur Gemahlin begehrte, weigerte sich die Jung—
frau standhaft, denn ihr Herz gehörte bereits einem andern.
Auf Schloß Rothenhaus war man durch das Verschwinden der
Tochter des Hauses in nicht geringe Bestürzung geraten, denn man
vermutete mit Recht einen frechen Raub. Der Graf entbot noch in
derselben Nacht seine Mannen zu sich und zog mit ihnen am frühen
Morgen gegen die Burgen Neosablitz und Wodehrad, die im Thale
des Assigbaches lagen und deren damalige Herren sich nicht des besten
Rufes erfreuten. Doch in keinem der beiden Schlösser war die Ge—
raubte zu finden. Von dem Vorhandensein des Felsennestes Neustein
aber wußte man nichts, denn dasselbe lag tief im Walde versteckt.
Unterdeß hatte die gefangene Grafentochter einen Plan zu ihrer
Rettung entworfen. Sie heuchelte dem Herrn von Neustein, sie sähe
ein, daß ihr Sträuben vergeblich sei, und so habe sie sich entschlossen,
die Seine zu werden; der Ritter möge ihr nur einige Tage Zeit lassen
und ihr gestatten, daß sie eine Kirche besuche, damit sie Gott um Trost
und Beistand anflehe. Nur ungern willigte der Ritter ein. So zog
sie denn mit ihrer treuen Dienerin, die man ebenfalls in Rothenhaus
geraubt hatte, und bewacht von einer Schar wilder Gesellen, nach
Komotau, wo sich die nächste Kirche befand. Als sie daselbst dem
Pfarrer beichtete, erkannte sie derselbe und er forderte sie auf, ihm
ihren Aufenthaltsort anzugeben. Sie sogleich zu befreien, erschien ihm
unmöglich, da die Kirche von den Bewaffneten umstellt worden war
und die Leute im Orte noch schliefen, denn es war zu sehr früher
Stunde. Die Jungfrau konnte dem Priester jedoch ihren Aufenthalts-
ort nicht angeben, da man sie mit verbundenen Augen aus dem Raub-
schlosse nach der Kirche gebracht hatte. Ratlos lief der Priester in die
Sakristei und kam ebenso ratlos wieder zurück. Da bemerkte er plötz-
–
552