Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
das verzagte Landvolk, welches eine gegen die Wasserseite ausgesteckte 
Notfahne herbeirufen sollte, hatte die schwer heimgesuchte Gegend ver— 
lassen. — Als die Not aufs höchste gestiegen war, begab sich die be— 
mitleidenswerte Jungfrau in die Burgkapelle, weilte dort auf den 
Knien liegend lange, bange Stunden und faßte daselbst, gestärkt durch 
ein inbrünstiges Gebet, einen bewunderungswürdigen, heroischen Ent— 
schluß, der, als sie wieder unter ihre Leute getreten war, ihren Augen 
einen eigenen Glanz, ihren Zügen eine stille Ruhe und Resignation, 
ihrem ganzen Wesen eine heilige Weihe gab. Ein Knecht mußte 
die letzte Nahrung, ein Rehviertel, vor den Turm werfen, ein anderer 
ins Horn stoßen und den Anführer der erbitterten Belagerer herbeizu— 
rufen. Dieser erschien, und Zdenka rief hinab: „Unter gewissen Beding— 
ungen will ich die Burg übergeben, obwohl, wie Ihr, an dem Wildpret 
sehen könnt, keine Not mich dazu zwingt. Erstlich werdet Ihr meine 
Getreuen mit Hab und Gut frei und ungehindert abziehen lassen.“ „Nur 
Euch nicht, holde Frau“, unterbrach sie der Rohe, „sonst mag das ganze 
Gesindel das Weite suchen.“ „Ich bleibe in der Burg meiner Väter, 
so lange ich lebe!“ rief Zdenka leuchtenden Blicks und fuhr hierauf fort: 
„Dann werdet Ihr Euch nicht eher dem Thore nähern, bis meine Leute 
den Platz gänzlich verlassen und die Stätte jenes Vorwerks erreicht 
haben. Zuletzt beschwöret mir, falls Ihr ein Christ seid, die genaue 
Befolgung des Versprechens.“ „Ich schwöre“, tönte es von den Lippen 
des Kelchners, „aber glaubt nur nicht“, setzte er bei, „daß Ihr mir ent— 
wischen könntet.“ — Zdenka ordnete nun den Abzug ihrer Diener an, 
dankte ihnen für alle bewiesene Treue und gehorsam geleisteten Dienste, 
verteilte ihre Kleinodien und Kostbarkeiten unter sie und tröstete die 
in Thränen Aufgelösten damit, daß ihr der wilde Hussitenführer wohl 
freundlich entgegenkommen werde. 
Die Fallbrücke rasselte herab, sechszehn bleiche und abgezehrte 
Männer mit der alten, weinenden Wärterin schwankten heraus, und 
nicht lange darnach stürzten die nach Beute lechzenden Taboriten mit 
ihrem Anführer an der Spitze, welcher die Jungfrau suchte, in die 
Burg. Allein wie vom Blitze gerührt blieb die wilde Rotte am Ein— 
gange einer Halle stehen und starrte mit stummen Entsetzen auf das 
ihr sich darbietende Bild. Dort in der Mitte des Gemaches stand 
Zdenka, bräutlich geschmückt, Entschlossenheit in Mienen und Gebärden, 
Hoheit und Würde in Haltung und Stellung zeigend. In ihrer Rech- 
ten loderte, Unheil und Verwüstung drohend, eine Fackel mit blutigrotem 
Scheine, und mit dem Zeigefinger ihrer Linken deutete sie auf ein vor 
ihr stehendes Pulverfaß. — Todesschauer schien die Kelchner gelähmt 
* haben, und dieser wollte auch dann nicht von ihnen weichen, als 
  
559
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.