Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
sp 
lang Jungfrau zu bleiben; dann hing sie ihren Brautkranz mit eigner 1 
Hand unter den Totenkränzen in der Kirche auf und lebte in tiefster 
Stille, den Segen der Armen verdienend. — So gingen denn seit jenem 
Unglückstage viele Jahre dahin und zuletzt waren nur noch die jung- 
fräuliche Braut, sowie drei Bergleute, Balthasar Thomas Kendler, 
Andreas Reiter der ältere, beide in Ehrenfriedersdorf, sowie Simon 
Löser, in Drehbach wohnhaft, von allen denen übrig, die damals das 
unglückliche Ereignis mit angesehen hatten. Da fügte es sich, daß in 
Brünlers Fdgr. am Sauberge ein Stolln bewältigt wurde, und als man in 
die siebente Lachter im rolligen Gebirge fortgerückt war, stieß man auf 
einen in der Erde liegenden menschlichen Körper, der noch in seinen 
unverwesten Kleidern dalag. Mit vieler Mühe machte man ihn von 
seiner drängenden Umgebung frei und schaffte ihn nach dem Tageschachte,! 
da brach dieser harte Leichnam mitten auseinander und man konnte 
ihn also nur in zwei Stücken heraufwinden. Diese Begebenheit wurde 
sogleich dem damaligen Bergmeister Valentin Feige gemeldet, welcher 
den Geschwornen Thomas Langer rufen und die obengenannten Greise 
an Bergamtsstelle bescheiden ließ. Diese Männer sagten nun aus, daß 
sie sich noch wohl erinnerten, wie einst in der Zeit ihrer Jugend, vor 
60 Jahren, ein junger Bergmann, namens Oswald Barthel, in der 
Gegend, wo der Leichnam jetzt gefunden worden, so verfallen sei, daß 
ihn niemand habe retten können. Und als man nun den Leichnam brachte, 
erkannten sie ihn als den Verschütteten. Dieses Wiederfinden geschah 
am 20. Sept. 1568, so daß der Verschüttete 60 Jahre 9 Wochen und 
3 Tage in der Erde gelegen hatte, als man ihn wiederfand, worauf 
er am 26. desselbigen Monats mit einem feierlichen Leichenbegängnis 
wieder zur Erde bestattet wurde, welche ihn schon so lange umschlossen 
gehabt hatte. Es war ein Begräbnis, wie Ehrenfriedersdorf noch keins 
gesehen hatte. Der Leichenzug bestand aus Tausenden, die herbeige- 
kommen waren, um dem so wunderbar Wiedergefundenen das letzte Ge- 
leite zu geben. Als die Leiche eingesenkt werden sollte, eilte auch die 
treugebliebene Braut herbei und sprach den Wunsch aus, ihrem Bräu- 
tigam bald folgen zu können, und nach wenigen Tagen ward ihre Hoff- 
nung auch erfüllt. In der Gedächtnispredigt, welche der damalige 
Ortspfarrer M. Georg Raute hielt, sagte derselbe am Eingange, es 
sei eine wundersame Mär, daß er, der Pfarrer, der schon im 31. Jahre 
stehe, heute einer Leiche die Gedächtnispredigt halte, welche schon 30 
Jahre vor seiner Geburt gestorben sei. Als Oswald verschüttet ward, 
herrschte in Ehrenfriedersdorf noch das Papsttum, als er begraben ward, 
hatte dasselbe schon längst der Reformation weichen müssen. Noch heute 
heißt aber die Hauptzusammenkunft der Bergknappschaft zu Ehrenfrie= 
□— 
  
580
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.