Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
u die zugleich eine Begräbnis-Brüderschaft ist, und welche *5 
Montag nach Ostern abgehalten wird, zum Andenken an obige Bege- 
benheit die lange Schicht. 
Nach einer andern Überlieferung, welche Dietrich erzählt, lebte 
von den einstigen Kameraden Oswalds, als man seine Leiche wieder 
auffand, nur noch einer, der alte Balthasar. Oswald aber wurde von 
der Verwesung noch unversehrt, in seinem Grubenkittel, lederner Berg- 
kappe, desgleichen mit seinem Gezäh (Werkzeug), seiner Unschlitttasche 
und dem Zscherper wiedergefunden, ohne daß er beim Heraufwinden 
in zwei Stücke zerbrach. Als das Leichenbegängnis beendet war, wankte 
Oswalds Braut Anna, geleitet von dem Bergmeister und dem Pfarrer 
in ihre Wohnung zurück. Hier bat sie, daß man ihr den Brautkranz 
aus der Kirche wieder gebe, und ihre Bitte ward gewährt. Am näch- 
sten Sonntagsmorgen genoß sie in der Kirche öffentlich das Abendmahl 
des Herrn, die längst vertrocknete Myrthenkrone im Silberhaar; dem 
alten Balthasar aber mußte man die heilige Spende zum Krankenlager 
bringen, denn ein Schlagfluß hatte ihn darniedergeworfen und seine 
Auflösung war nahe. An diesem Sonntage noch ging mit der Himmels- 
sonne auch der treuen Anna Lebenssonne unter, und um Mitternacht 
folgte ihr Balthasar nach. Es wurden diese beiden an einem Tage 
begraben. Oswald und Anna ruhen in einem Grabe, des treuen Freun- 
des Balthasars Grab aber war nahe an Oswalds Seite, und tausende 
von Thränen weihten ihre stillen Ruhestätten. 
  
767. Die Brautgabe aus der Kirche zu den vierzehn Nothelfern 
bei Reichstädt. 
(Mitgeteilt durch Ludw. Lamer in der Monatsbeilage zur Weißeritz- 
Zeitung 1886. No. 5 2c.) 
Ganz in der Nähe des Dorfes Reichstädt, 1½ Stunde von 
Dippoldiswalde gelegen, stand ehedem auf einer Anhöhe, die „Kahle 
Höhe“ genannt, ganz einsam und verlassen ein uraltes Kirchlein, den 
„vierzehn Nothelfern“ geweiht. Nach einer Urkunde vom Jahre 1320 
war dasselbe eine überaus berühmte Wallfahrtskapelle, und zu ihr ström- 
ten jährlich viele Tausende, um ihre Anliegen und Gebete den vierzehn 
Nothelfern, nämlich Jesu, den zwölf Aposteln und dem heilgen Niko- 
laus vorzutragen. Durch die vielen, der Kirche gespendeten Geschenke 
wurde dieselbe sehr reich; als aber nach Beginn der Reformation die 
zahlreichen Wallfahrer ausblieben und im niedern Teile des Dorfes 
Reichstädt eine Kirche gebaut und daselbst der lutherische Gottesdienst 
  
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