s worden war, verschwand plötzlich auch der letzte Meßpriester *s8
Kapelle und mit ihm das ganze aufgehäufte Vermögen derselben nebst
den Heiligenbildern und Kirchengeräten. So verfiel nach und nach das
Kirchlein und während des dreißigjährigen Krieges wurden auch Bänke,
Betstühle und alles Holzwerk herausgerissen und verbrannt. In der
Zeit nun, da das kleine Gotteshaus mit leerem Boden und leeren
Wänden dastand, geschah folgendes: Bei dem reichen Bauer Wolf zu
Oberreichstädt diente in den 1640er Jahren die Tochter einer armen
Witwe aus Sadisdorf, namens Hanna. Durch ihren Fleiß, ihre
Treue und Bescheidenheit machte sich dieselbe bei ihrer Herrschaft bald
beliebt; noch mehr aber gefiel Hanna dem einzigen Sohne ihres Dienst-
herrn, einem mit ihr gleichalterigen, blühenden Burschen mit Namen
Christian. Allgemach zog die Liebe zu dem Mädchen in sein Herz, doch
verriet er davon nichts, denn sein Vater war starrsinnig und unbeug-
sam und dabei dem Gelde so wohlgeneigt, daß er nie die Verbindung
seines einzigen Sohnes mit einem armen Mädchen zugegeben hätte.
Das wußte der Sohn aus manchen Außerungen des Vaters. Ja eines
Tages sagte ihm derselbe, daß er für ihn die Tochter eines reichen
Bauern zur Frau bestimmt habe, die ihm sogleich 2000 Thaler als
Heiratsgut mitbringen werde. Doch Christian weigerte sich, dieses
Mädchen heimzuführen, da dasselbe träge, zänkisch und roh sei. Erzürnt
drohte ihm darauf der Vater, daß er nie seine Einwilligung zu einer
andern Verbindung geben werde, es sei denn, daß ihm die Braut eben-
falls 2000 Thaler Mitgift zuführe. Da Hanna diese Worte ebenfalls,
von beiden unbemerkt, gehört hatte, war ihr Herz traurig, denn auch
sie liebte Christian heimlich von ganzem Herzen. Sie nahm sich also-
bald vor, das Haus, in welchem sie so glücklich gewesen war, zu ver-
lassen. Aber als Christian ihren Kummer sah und in sie drang, ihm
zu sagen, was ihr fehle, weinte sie heftig und beide gestanden sich ihre
gegenseitige Liebe. Da sagte Christian, daß er sich vor der Drohung
seines Vaters nicht fürchte und er bat Hanna, noch zu bleiben, da ja
Gott alles noch zum Besten lenken werde.
Bald darauf wurde der Vater Wolf bedenklich krank und auf
seinem Lager ließ er sein Testament mit der ausdrücklichen Bestimmung
anfertigen, daß sein Sohn Christian nach seinem Ableben nur dann
als Erbe der Besitzung zu betrachten sei, wenn derselbe eine Frau mit
2000 Thalern Mitgift eheliche; sei dies jedoch in vier Jahren nach
des Testators Ableben nicht erfolgt, so trete der älteste Sohn seines
Bruders als rechtmäßiger Erbe ein. Der Vater hatte also sein früher
ausgesprochenes Wort nicht vergessen.
Hannas Mutter zu Sadisdorf war während der Zeit ebenfalls
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