Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
799. Todaustreiben. 
(Gottl. Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes. 1794. S. 309. Joseph 
Fritsch in der Erzgebirgs-Zeitung, 4. Jahrg. S. 99 2c.) 
In Königswalde bei Werdau erhielt sich bis 1630 folgendes: 
Am Sonntag Lätare ward jährlich ein Strohbild verfertigt, wel- 
ches in dem einen Jahre einen Mann, im andern ein Weib darstellte. 
Dieses Bild ward von den ledigen Personen beiderlei Geschlechts mit 
Hülfe einer Leichenfrau als eine Leiche angezogen, mit grünen Blättern 
und Wintergrünkränzen geziert, das Haar ward aus Flachs verfertigt, 
und das ganze Bild an eine Stange angemacht. Nach Endigung des 
Nachmittaggottesdienstes ward es durchs ganze Dorf getragen, und 
eine Menge Volks, groß und klein, folgte mit Gesang nach. Endlich 
ward es auf eine Wiese gebracht, mit Ungestüm zerrissen und in den 
Bach geworfen. Die Wiese, wohin in Königswalde dieses Bild ge- 
bracht ward, heißt noch heut' die Todenwiese; sie liegt neben der hei- 
ligen Wiese nach Langenhessen zu. Man nennt diese Ceremonie den 
Tod austreiben, und der Sonntag Lätare hieß der Todensonntag. 
An einigen Orten des böhmischen Erzgebirges wird noch gegen- 
wärtig am Sonntage Lätare das Todaustreiben unter der Bezeichnung 
des Todaustragens („Tudaustrog'n") gefeiert. Von fünf Knaben zieht 
sich einer als Tod (Winter) an, ein anderer als König, der dritte als 
dessen Tochter (Lenz) und die übrigen als Diener (Sommer und Herbst.) 
Der König, wohl den Herrn der Jahreszeiten personifizierend, trägt 
eine goldpapierne Krone und einen Rocken als Szepter. Die Königs- 
tochter ist ihrer Würde angemessen aufgeputzt, verschmäht es indessen 
nicht, Geld und andere Geschenke entgegen zu nehmen. Die Diener 
tragen Degen, der weißgekleidete Tod ein Bund Späne. Alle aber, 
mit Ausnahme des Winters, sind mit bunten Bändern geschmückt; 
deshalb heißt dieser Gebrauch auch der „Bändertod“. Die Gesellschaft 
zieht von Haus zu Haus und führt ein kurzes dramatisches Spiel auf, 
dessen Inhalt folgender ist: Die Diener, in der Folge auch der Tod, 
halten um die Hand der Königstochter an. Letzterer büßt seine Ver- 
messenheit mit dem Leben, indem ihn der König niedersticht. Die beiden 
übrigen Brautwerber stehen zitternd da, weil sie eine gleiche Strafe 
befürchten. Der König überwindet indessen seinen Zorn bald und lä- 
chelnd legt er die Hand des Sommers in die seiner Dochter, welche 
er auffordert, daß sie sich von dem andern Freier durch Darreichung 
der von ihr gesammelten Gaben loskaufe. 
An andern Orten tritt diese Sitte in nachfolgender Gestalt auf: Meh- 
Knaben gehen mit einer langen Stange, an die oben ein Quer- 
  
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