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manchem, worüber er vielleicht gelächelt und was er nur als der 54½%
lichen Einfalt zusagend angesehen hat, oft ein tiefer Sinn ruht.
In den Volkssagen, wie
„in des Volkes Kindermund, in Lied und Spruch der Alten,
da rauscht manch frischer Weisheitsquell wie aus Granites Spalten.“
Es gab eine Zeit, und sie ist vielleicht nicht völlig vorüber, da
glaubte man die einfachen Stoffe, wie solche im Munde des Volkes
lebten und noch leben, durch Zuthaten ausschmücken zu müssen. In
diesen Fehler sind z. B. die bereits genannten Sammler Dietrich und
Textor verfallen, in deren Erzählungen es vielfach schwierig ist, den
eigentlichen Kern aus der novellistischen Umhüllung herauszuschälen;
auch die in metrischer Form wiedergegebenen Sagen Ziehnerts haben
gerade dadurch ihren Duft verloren. Der Herausgeber der vorliegenden
Sammlung vermied aber möglichst jede der ursprünglichen Uberliefer-
ung fremde Ausschmückung, selbst auf die Gefahr hin, daß er damit
dem verbildeten Geschmacke manches Lesers keinen Gefallen erwies.
Er beherzigte vielmehr die Worte, welche die Brüder Grimm ihren
„Deutschen Sagen“ voranschicken und die kurz und bündig aussprechen,
was von einer Sagensammlung verlangt wird. Sie lauten: „Das
erste, was wir bei Sammlung von Sagen nicht aus den Augen ge-
lassen haben, ist Treue und Wahrheit. Die ungenügsamen Ge-
bildeten haben nicht bloß die wirkliche Geschichte, sondern auch das
gleich unverletzliche Gut der Sage mit Unwahrheiten zu vermengen,
zu überfüllen und überbieten getrachtet. Wir haben arme Sagen
nicht reich machen mögen, weder aus einer Zusammenfügung meh-
rerer kleinen, wobei zur Not der Stoff geblieben, Zuschnitt und
Färbung aber verloren gegangen wäre, noch gar durch unerlaubte,
fremde Zuthaten, die mit nichts zu beschönigen sind.“ Schlicht und
einfach erzählt das Volk und in gleicher Form müssen auch seine
Sagen der möglichen Vergessenheit entrissen werden. Daß mich bei
der vorliegenden Sammlung einzelne meiner Schüler unterstützten,
welche in dem Elternhause manche Sage hörten, die mir vielleicht ent-
gangen wäre, habe ich mit Dank anzuerkennen, und ebenso gebührt
allen andern, welche mir in gleicher Weise behülflich waren, mein ver-
bindlichster Dank, auch wenn ihre Namen, die mir nach der Auf-
zeichnung der mündlichen Mitteilungen nicht mehr in der Erinnerung
geblieben waren, hie und da fehlen sollten.
Das Sagenbuch des Erzgebirges berücksichtigt, wie sich ja schon
aus der vorangeschickten Umgrenzung des Gebietes ergiebt, neben dem
sächsischen auch den böhmischen Teil des Gebirgs. War doch das
Volksleben in den früheren Jahrhunderten, denen wohl die meisten
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