Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

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gräbnis wieder kam. Sie hatte sonst den Nachruf eines frommen und 
eingezogenen Lebens und man sagte von ihr, daß sie sich zu ihren Leb- 
zeiten unterschiedlichemal über das böse Leben beklagt habe, so ihr 
zweiter Mann mit Fluchen und Streit nebst den Kindern treibe, und 
daß sie es nicht vertragen könne, sie müsse viel leiden, daß es kein 
Wunder wäre, sie ließe sich lebendig begraben. Als sie kurz darauf 
starb, hinterließ sie auch eine arme Schwester, welche bei dem Witwer 
allerhand Erbstücke suchte, aber nichts erhalten konnte. Ungeachtet nun 
diese Erbforderung gerichtlich beigelegt worden war, wollte sich doch die 
blutarme Schwester nicht so abweisen lassen und vergoß viel Thränen. 
Der Witwer lag nebst seinem Sohne krank in der Unterstube. Da 
kommt ein Gespenst zu Mitternacht in Gestalt der Verstorbenen und 
setzt sich vor sein Bette. Er erschrickt und fängt an zu beten: Gott, 
der Vater steh' uns bei! zu dreien malen, aber die gespenstische Frau 
will nicht weichen, der Kranke kann nicht fort und schwitzet gar sehr. 
Es schlägt 12 Uhr, da meint er, nun werde sie fortgehen, aber sie 
bleibet sitzen bis nach 2 Uhr. Da fängt er an: Alle guten Geister 
loben Gott den Herrn. Sie antwortet, zwei Schritte zurücktretend: 
Ich auch. Der Kranke fragt: Was wollet ihr hier? Gehet hin, wo 
ihr hingehöret. Sie antwortet: Ihr sollt meiner Schwester Magdalena 
nicht alles nehmen. Und damit fuhr der Geist zum vordern Fenster 
hinaus. Eine Hausgenossin wohnte in der Oberstube, die auf der Bank 
liegend eben dieses Gespenst gesehen, welches sie angegriffen und be- 
gehrt, man solle ihre Schwester nicht kränken; damit warf's ein Bier- 
maß nach ihr und blieb außen. - 
  
60. Die umherwandelnde Gräfin in der Kirche zu Wildenfels. 
(Mündlich.) 
In der früheren, jetzt nicht mehr vorhandenen Kirche zu Wilden— 
fels befanden sich die Begräbnisse der verstorbenen Glieder der erlauch— 
ten gräflichen Familie der Herrschaft. Alte Leute erzählen noch jetzt, 
einst habe eine verstorbene Gräfin daselbst nicht Ruhe finden können, 
sondern sei oft in der Kirche umhergewandelt und habe die Orgel 
gespielt. Als sich endlich der Pfarrer des Ortes entschloß, sie zur 
Ruhe zu bringen, habe er den Kantor vor der Kirchthüre mit der 
Weisung stehen bleiben lassen, während seiner, des Pfarrers Abwesenheit 
in der Kirche, ein Gebet zu verlesen. Als der Kantor aus Neugierde durch 
ein Schlüsselloch sah, soll eine Stimme gerufen haben: „Es guckt!“ 
Nach Beendigung der Beschwörung trat der Pfarrer aus der Kirche 
  
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