Bestimmungen des Reichs-Kolonislamts für die Landesbeamten 1. 10.1907. 8389
Die Bestimmungen der $8$ 174, 176, 177 des Deutschen Strafgesetzbuchs gelten in
vollem Umfange auch in den Schutzgebieten.
Die Aufnahme unerwachsener weiblicher Eingeborener, sei es als Diene-
rinnen, sei es in irgendwelcher anderen Eigenschaft in den Hausstand unver-
heirateter europäischer Beamter oder sonstiger Gouvernementsangestellter, ist
unzulässig. "
3. Körperliche Züchtigungen gegenüber Eingeborenen dürfen nur von
den dazu ermächtigten Personen und in den verordnungsmäßig festgesetzten
Grenzen verhängt werden. Zuwiderhandlungen werden disziplinarisch, gege-
benenfalls auch gerichtlich, bestraft. Die Aufrechterhaltung eines guten Ver-
hältnisses zu den Eingeborenen und deren Heranziehung zur Arbeit ist eine der
wichtigsten Aufgaben der Verwaltung. Sie hat zur Voraussetzung, daß die
Eingeborenen mit Wohlwollen und Selbstbeherrschung behandelt und daß Über-
griffe und unberechtigte Härten, welche häufig nur auf Unkenntnis der Sprache
und Sitten der Eingeborenen zurückzuführen sind, unter allen Umständen ver-
mieden werden. Gute Kenntnis der Eingeborenensprache wird daher den Be-
amten als besonderes Verdienst angerechnet. Die Überlegenheit des Europäers
und das Verständnis für die kolonialen Bedürfnisse wird nicht durch selbst-
bewußtes Herabsehen auf die farbige Bevölkerung dargetan, sondern durch die
Erkenntnis ihrer Wichtigkeit für die Entwicklung der natürlichen Hilfskräfte
des Landes und durch entsprechende Behandlung. ,
4. Über die ihnen vermöge ihres Amts oder ihrer Stellung bekannt ge-
wordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich
oder von ihren Vorgesetzten vorgeschrieben ist, haben die Beamten Verschwiegen-
heit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältnis aufgelöst ist. Zu Vor-
trägen über die Verhältnisse in den Schutzgebieten und zu außeramtlichen
Veröffentlichungen, welche nicht lediglich privater Natur sind, ist die vor-
gängige Genehmigung des Reichs-Kolonialamts einzuholen. Auch bei Mit-
tellungen an Angehörige und Bekannte sowie bei Gesprächen in öffentlichen
Lokalen über dio Verhältnisse in den Schutzgebieten ist Zurückhaltung geboten,
da nicht übersehen werden kann, inwieweit mit solchen Mitteilungen Mißbrauch
getrieben wird.
5. Zur Übernahme eines Nebenamts oder einer mit einer fortlaufenden
Remuneration verbundenen Nebenbeschäftigung sowie zum Betriebe eines Ge-
werbes bedarf es der vorgängigen Genehmigung des Reichs-Kolonialamts. Die-
selbe Genehmigung ist zum Eintritt eines Beamten in den Vorstand, Verwal-
tungs- oder Aufsichtsrat einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft sowie zum
Erwerb von Grundbesitz in den Schutzgebieten erforderlich. Die Genehmigung
kann von dem Gouverneur ausgesprochen werden, wenn es sich um den Erwerb
eines einzelnen, nicht über einen Hektar großen Grundstücks zum Zwecke der
Errichtung eines der eigenen Benutzung dienenden Wohngebäudes handelt. Der
Herr Reichskanzler hat es ferner als erwünscht bezeichnet, daß eine Beteiligung
der Beamten mit Kapital an auf Erwerb gerichteten Unternehmungen inner-
halb der Schutzgebiete unterbleibe. Den Erwerb von Landesprodukten (Elfen-
bein usw.) von den Eingeborenen usw. behufs späteren Verkaufs für eigene
Rechnung haben die Beamten zu unterlassen.
6. Ethnographische und naturwissenschaftliche Sammlungen dürfen nur
nach vorher eingebolter Genehmigung des Reichs-Kolonialamts verwertet oder
veräußert werden. Einer gleichen Genehmigung bedarf es zur außeramtlichen
Verwertung kartographischer Aufnahmen.