Straferlasse. 51
Die Militärverhältnisse sind erforderlichenfalls durch Vernehmung der Ge=
fangenen oder Anfrage bei der Strafvollstreckungsbehörde zu ermitteln.
2. Die Gefangenen (Ziffer 1) sind sogleich in eine Nachweisung aufzunehmen.
Diese Nachweisung ist unverzüglich dem für den Gefängnisort zuständigen
Bezirkskommando zu übersenden.
3. Auf Grund dieser Nachweisungen teilt das Bezirkskommando jedem Ge=
fängnisvorsteher mit, welchen Truppenteilen und Standorten die Mannschaften zu
überweisen sind und ob deren Abholung durch ein Militärkommando beabsichtigt ist.
4. Nach Eintreffen der Mitteilung Ziffer 3 ist den Gefangenen der Allerhöchste
Gnadenerlaß bekanntzumachen. Es ihnen zu eröffnen, daß in der Erwartung
ihrer Einstellung in das Heer ihre Beurlaubung mit der Auflage erfolgen werde,
sich alsbald bei dem ihnen bezeichneten Truppenteil zu melden und, wenn ihre Ein=
stellung nicht erfolgen sollte, ihre Strafe unverzüglich wieder anzutreten. Gleich=
zeitig sind sie die auf die Strafvorschrift des § 68 des Militärstrafgesetzbuchs hinzuweisen.
5. Ist vom Bezirkskommando eine Abholung der Gefangenen nicht in Aus=
sicht gestellt, so ist die Entlassung sofort zu bewirken. Ausnahmsweise ist, wenn
augenscheinlich Fluchtverdacht besteht, der Gefangene seitens der Gefängnisver=
waltung dem betreffenden Truppenteil vorzuführen und, wenn seine Einstellung
nicht erfolgt, in das Gefängnis zurückzuführen.
Wird die Abholung der Gefangenen in Aussicht gestellt, so ist das Eintreffen
des Militärkommandos abzuwarten, dem alsdann die Mannschaften zu übergeben sind.
6. Die Truppenteile werden den Gefängnisvorstehern unverzüglich mitteilen,
ob die Einstellung erfolgt ist.
7. Die Entlassung (Abholung) der Gefangenen sowie die Auskunft des Truppen=
teils bezüglich der Einstellung sind zu den Strafakten anzuzeigen.
8. Gefangene (Ziffer 1), welche wegen Krankheit oder Gebrechen nach dem Gut=
achten des Gefängnisarztes unzweifelhaft nicht zur Einstellung gelangen können,
sind von dem in Ziffer 2—5 geregelten Verfahren auszuschließen.
Hierüber sowie über die Fälle, in denen ein Gefangener lediglich wegen schlechter
Führung nicht als unter die Ziffer 1 fallend angesehen ist, ist zu den Strafakten
Anzeige zu erstatten.
II. Maßnahmen der Strafvollstreckungsbehörde.
1. Die Strafvollstreckungsbehörde hat den Strafvollzug gegen diejenigen Ver=
urteilten, die im Falle ihrer Einstellung in das Heer unter den Allerhöchsten Gnaden=
erlaß fallen, einzustellen und erst dann wieder aufzunehmen, wenn die Nichtein-
stellung endgültig feststeht. Jedoch ist der Strafvollzug gegen kranke oder gebrech=
liche Gefangene (I Ziffer 8 Abs. 1) einstweilen forzusetzen, bis über deren weitere
Behandlung ein Einverständnis mit dem zuständigen Bezirkskommando erzielt ist.
2. Sind die Voraussetzungen des Allerhöchsten Gnadenerlasses vom Gefängnis=
vorsteher wegen schlechter Führung des Verurteilten für nicht vorliegend erachtet,
so ist die Entscheidung des Justizministers einzuholen. Dasselbe gilt, wenn sich
Zweifel über die Anwendbarkeit des Allerhöchsten Gnadenerlasses auf einen Einzel=
fall ergeben.
Die Berichterstattung erfolgt durch den Ersten Staatsanwalt bei dem Landgericht.
Allerhöchster Gnadenerlaß, betreffend Zivilpersonen.
Vom 4. August 1914.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., wollen angesichts
der opferwilligen Vaterlandsliebe, die das gesamte Volk in dem Uns aufgedrängten
Kriege beweist allen denjenigen Personen, welche bis zum heutigen Tage
I. wegen Beleidigung des Landesherren oder eines Bundesfürsten (§§ 94
bis 101 R. Str. G. B.), wegen feindlicher Handlungen gegen befreundete