Object: Sächsische Volkskunde.

Robert Wuttke: Stand und Wachstum. 199 
Im Anfange des 19. Jahrhunderts dauert die Zersplitterung auf stati- 
stischem Gebiete noch an, eine statistische Zentralbehörde mit fachmännisch ge- 
schultem Personal gab es nicht; selbständig ohne Fühlung mit einander zu 
nehmen veranlaßten einzelne Behörden statistische Erhebungen, so erstattete 
die Kommerzdeputation jährlich dem König einen Hauptbericht über die wirt- 
schaftliche Lage des Landes, dessen erster Teil den „Zustand der Bevölkerung“ 
behandelte; es wurde in ihm eingehend die Zu- und Abnahme der Bevölkerung 
im Ganzen, wie in den einzelnen Teilen des Landes, ferner die Verhältnisse 
der katholischen und reformierten Gemeinden, wie der Judenschaft besprochen, 
aber die Deputation stützte sich dabei meist einseitig auf ihre Konsumenten- 
listen und berücksichtigte nicht die Tabellen der kirchlichen Behörden. Nach dem 
Wiener Frieden trat man dem Gedanken näher, ein Institut für sächsische Landes- 
kunde (1823) zu errichten, der Plan wurde aber später wieder fallen gelassen. 
Mit dem Eintritt Sachsens in den deutschen Zollverein erwiesen sich die 
Konsumentenlisten als unzureichend. Nach den damals abgeschlossenen Ver- 
trägen sollten die Zollerträgnisse nach dem Kopf der Bevölkerung verteilt 
werden, es war deshalb notwendig, das Zählungsverfahren innerhalb des 
Zollvereins einheitlich zu gestalten. Sachsen ordnete am 3. Juli 1832 die 
erste allgemeine Volkszählung an, die Verarbeitung des Materials wurde dem 
statistischen Verein — 1831 gegründet — überwiesen, in dessen Mitteilungen, 
Lieferung 4, (1833) die Zählungsergebnisse veröffentlicht wurden. Auf die 
Dauer erwies sich auch dieser Weg nicht als gangbar und so entschloß sich 
die Regierung 1850 eine eigne Behörde, das statistische Bureau zu errichten. 
An dessen Spitze trat der um die Entwicklung der deutschen Statistik hoch- 
verdiente Ernst Engel; nur bis 1858 behielt er die Leitung. Sein Nach- 
folger bis 1866 wurde Weinlig; von da ab bis 1874 gab Theodor Peter- 
mann die statistische Zeitschrift heraus. Mit dem Eintritt Victor Böhmerts 1875 
erhielt das Bureau wieder einen Vorstand; an seine Stelle trat 1895 Arthur 
Geißler. Zur Beurteilung der Größe und Gliederung der Bevölkerung liegt 
ein überreiches Material vor. 
Vom Wiener Frieden bis 1830 wächst die Bevölkerung jährlich um 
22 000, im zweiten Drittel des Jahrhunderts — 1830 bis 1871 — um 
28 000, im letzten Drittel um 51 000 Köpfe. Der Zuwachs bleibt sich also 
bis zur Gründung des Deutschen Reiches fast gleich, um von da ab sich bei- 
nahe zu verdoppeln: ein ganz beispiellos dastehendes Wachstum der Bevölkerung. 
Die absolute Bevölkerungsgröße eines Landes ist aber nicht allein für 
die Beurteilung der Bevölkerungsverhältnisse maßgebend, man muß die 
absolute Zahl durch die relative ergänzen; um letztere auszudrücken, pflegt der 
Statistiker anzugeben, wieviel Einwohner auf einen Quadratkilometer kommen. 
Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die sächsische Bevölkerung, 
so wird der fortschreitende Verdichtungsprozeß noch sichtbarer.
	        
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