404 74. Des Kurfürsten und Königs Max I. Joseph innere und äußere Politik.
wichtigste Vorbedingung erfüllt, erst durch die Verschmelzung der schwer be-
weglichen altbayerischen Bevölkerung mit den regeren und lebhafteren Volks-
elementen der neuen Provinzen hatte die selbstgenügsame, schädliche Absperrung
Bayerns gegen das übrige Deutschland ein Ende.
Denn dieses Ziel strebte Max Joseph an: Bayern den besten Kultur-
staaten ebenbürtig zu machen, das Staatswesen den Anforderungen der neuen
Zeit entsprechend zu reformieren und sogar ihre überschäumenden Ideen der
herrschenden Gewalt dienstbar zu machen. Die Seele dieser Bestrebungen war
Minister Graf Montgelas. Bis zu seiner 1817 auf Betreiben des Thron-
folgers erfolgten Entlassung genoß der Graf das unbedingte Vertrauen des
Monarchen, in seinen Händen liefen alle Fäden der inneren und auswärtigen
Politik Bayerns zusammen.
Eine Menge von Edikten namentlich auf kirchenpolitischem Gebiet wurde
erlassen, das wichtigste brachte Gleichstellung aller christlichen Konfessionen.
Der Volkserziehung wurde ernsteste Sorgfalt zugewandt, die Zensur für poli-
tische Schriften aufgehoben. Der Kampf zwischen einem absterbenden Alten
und einem werdenden Neuen mußte Mißgriffe und Mißstände mit sich bringen
und die schonungslose Härte, womit Montgelas und die Vollstrecker seines
Willens die Vernichtung alles historisch Gewordenen in Szene setzten, ist nicht
zu rechtfertigen. Insbesondere bei Aufhebung der Klöster zeigte sich, daß die
sogenannten Aufklärungsmänner nicht immer als die wahren Lichtfreunde sich
erwiesen; denn durch den Vandalismus, den sie bei diesem Anlaß betätigten,
ging der Staat der erhofften Vorteile gänzlich verlustig und noch schmerzlichere
Verluste erlitten Kunst und Wissenschaft. „Gleichwohl aber,“ sagt Häusser,
„war die Auflösung des Alten wirklich unvermeidlich und selbst diese gewalt-
tätige Periode hat eine Menge Fesseln gesprengt und eine Fülle von Lebens-
keimen zu wecken angefangen.“ Bedeutender Fortschritt wurde auf dem Gebiet
der Landeskultur erzielt; am 31. August 1808 priesen Hunderttausende von
freien Staatsbürgern den einsichtsvollen Monarchen, der die Leibeigenschaft in
seinen Staaten ausgehoben hatte. Für den Handel wurde durch Erleichterung
des Verkehrs gesorgt, für das Gewerbe durch Lösung von drückenden Zunftfesseln,
gemeinnützige Anstalten aller Art wurden durch die Regierung ins Leben ge-
rufen. Ebenso aus der persönlichen Vorliebe des Kurfürsten wie aus der
drohenden Zeitlage erklärt es sich, daß dem Militärwesen ganz besondere Auf-
merksamkeit gewidmet ward. Kleine, undisziplinierte Soldatenhaufen bildeten
unter Karl Theodor die fragwürdige bayerische Armee. Binnen wenig Jahren
stand ein stattliches Heer unter der weißblauen Fahne. Die tapferen Taten.
desselben trugen wesentlich dazu bei, daß der Staat, der nur noch ein Wrack
schien, nur noch als Strandbeute galt, bald eine Achtung gebietende Stellung
unter den europäischen Staaten einnahm.
Beim drohenden Wiederausbruch des Krieges zwischen Frankreich und
Österreich war es Max Josephs Wunsch neutral zu bleiben, doch das war