87. Gesang. 139
Wie es scheint, hat der erstgedachte Vorschlag, der sich aus ver—
schiedenen Gründen mehr als die anderen empfiehlt, in den weitesten
Kreisen Annahme gefunden.
Für Volkslieder eignet sich in den höheren Klassen die Zwei-
stimmigkeit. Doch soll damit keineswegs gesagt werden, daß der Ge-
sang einstimmiger Volksweisen auf der Oberstufe ganz auszuschließen sei.
„Der Kunstsinn des Volkes strebt auf mehrstimmigen Gesang hin;
bei den Volksliedern ist der zweistimmige Gesang ganz und gar an-
gezeigt, und die Erfahrung lehrt gewiß, daß in den Schulen, die
den zweistimmigen Gesang nicht pflegen, meist roh gesungen wird.“
Hier und da wird in gemischten Klassen der Grundsatz befolgt, die
zweite Stimme immer nur von Knaben singen zu lassen. Erfahrene
Gesanglehrer werden dies schwerlich billigen.
Gegen die Versuche, auch dreistimmig singen zu lassen, sprechen
sich die G. B. bestimmt aus. Indessen sind unter günstigen Verhält-
nissen auch mit dreistimmigem Gesange bisweilen befriedigende Erfolge
erzielt worden.
„Bei der Pflege mehrstimmigen Gesanges in der Schule sollte die
Erfahrung nicht unbeachtet bleiben, daß der Reiz schlichter Volks= und
Kinderlieder durch dynamische und rhythmische Künsteleien beeinträchtigt
wird.“
Vergl. hierzu: Grüllich, Lehrplan rc.; Schreyer, Entwurf 2c.;
Lehrpläne für die Inspektionsbezirke Olsnitz, Dippoldiswalde und
Chemnitz II.
184) G. B.: Mit bildenden Stimmübungen sollen die Gesang-
stunden schon auf der Unterstufe in der Regel begonnen werden; zweck-
mäßig ist es unter Umständen, bei diesen Ubungen auf die schwierigeren
Tonfolgen der einzuübenden Choräle und Volkslieder mit Bezug zu
nehmen. Wo sie dem Unterrichtsgange planlos einverleibt, ohne Nach-
druck betrieben oder gar vollständig vernachlässigt werden, da erhebt
sich der Schulgesang nur selten zu wirklich genügenden Leistungen.
Dr. Wild (Stoffpläne 2c., Zusätze) hat unter Berücksichtigung der
ihm ausgesprochenen Vorschläge und Wünsche die „Lohseschen Gehör-
und Stimmübungen“ auf die verschiedenen Lehrstufen in angemessener
Weise verteilt und empfiehlt überdies die Schrift „Wlochatz, Der Ge-
sangunterricht in den Bürgerschulen Bautzens“ zu fleißiger Benutzung.
Sehr beachtliche Winke geben u. a. auch: O. Wermann, Uber
Tonbildung, Aussprache und Atmen beim Singen (Essen); Fichtner,
Der Gesangunterricht für deutsche Volksschulen (Leipzig).
Vergl. hierzu: Baunack, Lehrplan 2c.; Schreyer, Entwurf 2c.;
Grüllich, Lehrplan 2c.; Lehrplan für die Inspektionsbezirke Dippol-
diswalde, Glauchau und Chemnitz II.
185) G. B.: „Beim Gesangunterrichte ist durch alle Klassen hindurch
auf angemessene Körperhaltung, auf reine Tonbildung, auf richtige
Vokalisierung, deutliche, edle Textaussprache, auf rechtzeitiges Atem-
holen, auf guten Vortrag mit größter Sorgfalt zu achten und von
Anfang an darauf zu halten, daß das Singen nicht in geschmacklose
Herbheit ausarte.“