16 § 2. Religions= und Sittenlehre.
gewähren. Danach ergibt sich die hohe Bedeutung des Religions-
unterrichts. Die gedachte Verpflichtung der Volksschule erschöpft sich
aber keineswegs darin, daß diese wöchentlich einige Stunden zur Ein-
führung der Jugend in Geschichte und Lehre der christlichen Religion
verwendet. Das kann nicht oft genug wiederholt werden.
Auch andere Fächer, z. B. das Deutsche, der Anschauungsunterricht,
die Realien und der Gesang, sind bis zu einem gewissen Grade schon
der Natur ihres Lehrstoffes nach geeignet, Einfluß auf die sittlich-
religiöse Bildung der Kinder zu gewinnen; wenn sich die Schule jeder-
zeit dessen bewußt ist, dann wird sie eingedenk ihrer Aufgabe keine der
gegebenen Gelegenheiten, jenen unmittelbaren Einfluß taktvoll zu unter-
stützen, unbenutzt vorübergehen lassen.
Ferner mag daran erinnert werden, daß die Lehrmethode bei
sämtlichen Fächern des Schulplanes, wenn sie in Absicht auf gute
Unterrichtserfolge zu ununterbrochener Aufmerksamkeit und strenger
Gedankenzucht anhält, wenn sie die Willenskraft der Kinder bei Lösung
von Aufgaben, bei Einübung des Gelernten, überhaupt zu tüchtiger
Arbeit ernstlich in Anspruch nimmt, wenn sie bei allen Leistungen be-
harrlich auf Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Sorgfalt dringt, zu-
gleich aurh der sittlichen Bildung erheblich Vorschub zu leisten vermag.
Endlich ist noch zu gedenken all der Vorkehrungen und Ver-
anstaltungen innerhalb des Schullebens überhaupt, welche auf die
Gewöhnung der Kinder an Gottesfurcht und trene Pflichterfüllung, an
Ehrlichkeit und Offenheit, an Höflichkeit, Bescheidenheit und Wohl-
anständigkeit, an Freundlichkeit und Gefälligkeit rc. berechnet sind.
Begonnen und beschlossen mit Gebet, durchdrungen von dem
Ernste der Wahrheit und der Liebe, geleitet von des Lehrers Treue
und Gewissenhaftigkeit, sleht der gesamte Schulunterricht in dem Dienste
der religiös-sittlichen Jugendbildung. Und so soll es ja sein.
Da auch die äußere Ordnung der Schule für die Erziehung der
Kinder von großem Einflusse ist, sind zum Zwecke ihrer einheitlichen
Behandlung in mehreren Bezirken besondere Bestimmungen getroffen
worden. Vergl. Schulrat Reil: Schulordnung und Lehrplan für die
zwei= und vierklassige einfache Volksschule des Schulaussichtsbezirks
OÖschatz 1903 und Pirna 1905. ·
Möchte die Schule nur in ihren Bemühungen, die Jugend zu
christlicher Frömmigkeit und sittlicher Tüchtigkeit zu erziehen, allseitig
unterstützt werden!
Vergl. hierzu Grüllich, Zweiter Beitrag zur Methodik der
Volksschule (Meißen): „Die Volksschule muß die alleinige Verantwor-
tung für die sittlichen Gebrechen des heranwachsenden Geschlechts, die
man ihr gern zuweisen möchte, ablehnen. Wenn der Geist des ganzen
Lebens draußen, den die Jugend einatmet, auf Genuß gerichtet ist,
die sittlichen Grundsätze allenthalben lockerer geworden sind, wenn gerade
auch die Notlage unserer Zeit den Mangel des Gottvertrauens und
sittlichen Haltes kundtut, wenn es im Elternhause an fester Zucht
und frommer christlicher Liebe fehlt und wenn nun eben in der jugend-
lichen Seele eine tiefe Empfänglichkeit für alles das, was ihr vor-
gelebt wird, vorhanden ist: wie kann da die Schule in erster Linie