Full text: Lehrplan für die einfachen Volksschulen des Königreichs Sachsen vom 5. November 1878.

§ 2. Religions= und Sittenlehre. 33 
kommt oder gar unbeachtet bleibt, den Kindern nicht lieb gemacht, 
sondern selbst verleidet. Katechismusbearbeitungen, welche im Interesse 
einer mehr oder weniger systematischen Behandlung der christlichen Lehre 
Unterrichtsstoffe in ihr Bereich ziehen, die außerhalb des Wort= und 
Sachinhalts des Katechismus Luthers liegen, oder welche diesen nach 
Gesichtspunkten gestalten, die nicht ihm selbst, sondern einem ander- 
weiten Lehrsystem entnommen sind, führen daher vielfach von dem, was 
gerade die spezisische Aufgabe des Katechismusunterrichts in der Volks- 
schule ist, von der einfachen, klaren und zusammenhängenden Entwick- 
lung des Katechismus Luthers in seinem reichen, der Fassungskraft 
der Schulkinder entsprechend gestalteten Inhalte ab und muten diesen 
wie den Lehrern die Lösung einer Aufgabe christlicher Lehrentwicklung 
zu, welcher jene nach ihrer Fassungskraft schwerlich gewachsen sind und 
welche auch den Lehrern Schwierigkeiten und Gefahren bereitet. Weil 
in unseren Schulen noch zu wenig der Sach= und Wortinhalt des 
Katechismus getrieben, zu wenig unterrichtlich entwickelnd durchgearbeitet 
wird, weil noch zu häufig Katechismusbearbeitungen der vorbezeichneten 
Art gebraucht werden, darum läßt der Katechismusunterricht noch so 
viel zu wünschen übrig.“ 
Dem Vernehmen nach sind die vorstehenden Winke zwar nicht un- 
beachtet geblieben, immerhin aber haben auch die Erfahrungen der 
letzten Jahre noch zu dem Tadel Anlaß gegeben, „daß den Kindern 
vieles zugemutet werde, was nicht in den Kopf und erst recht nicht in 
das Herz eindringen kann“. Und es ist daher aufs neue vor „jenem 
Verbalismus gewarnt worden, dessen Wurzelgeflecht die Keime religiösen 
Lebens und Empfindens leicht ersticke“. 
21) Die Katechismuslehre ist bekanntlich in einfachen Volksschulen 
früher sehr häufig nach einjährigen, den gesamten Stoff gleichmäßig 
wiederholenden Lehrkursen behandelt worden. Für die Lausitz waren 
einjährige Kurse ausdrücklich vorgesehen; anderwärts folgte man gern 
dem auf Veranlassung Dr. Döhners verfaßten „Zwickauer Leitfaden“, 
dessen Anlage seinerzeit besonders geeignet schien, den für die reli- 
giöse Bildung der Kinder so nachteiligen Folgen häufigen Schul= und 
ehrerwechsels einigermaßen zu begegnen. 
Fern davon, die Vorteile derartiger Jahreskurse verkennen zu wollen, 
sprechen sich doch die G. B. zum größten Teile für zweijährige Lehr- 
gänge aus, und zwar auf Grund der Erfahrung, daß der Katechismus- 
unterricht, wenn er bei nur zwei wöchentlichen Lehrstunden innerhalb 
eines Jahres gänzlich durchgenommen wird, namentlich in wenig ge- 
gliederten Schulen häufig das Gepräge unwirksamer Außerlichkeit er- 
halte. Der Unterricht müsse in der § 2 Pkt. 1b Abs. 2 des Lehrplanes 
angeordneten Weise vertieft und fruchtbarer gestaltet werden; dazu ge- 
nüge aber der kurz bemessene Raum eines Jahreskurses nicht. 
Infolgedessen gibt der Lehrplan zweijährigen Kursen den 
Vorzug, ohne jedoch, wenn er sie auch der Regel nach eingehalten 
wissen will, die Wahl einjähriger ganz auszuschließen. Wo solche je 
nach Umständen erforderlich sein sollten, da wird man also nicht nötig 
haben, „sie erst zu erkämpfen“. 
Lehrplan f. d. einfachen Volksschulen. 11. Aufl. 3
	        
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