Full text: Lehrplan für die einfachen Volksschulen des Königreichs Sachsen vom 5. November 1878.

40 § 2. Religions= und Sittenlehre. 
Es mag dahingestellt sein, ob die Erfolge des Religionsunterrichts 
in der Tat ab-, oder nicht vielmehr zugenommen haben; jedenfalls 
aber erscheint die ihm zugewiesene Stundenzahl im Verhältnis zur 
Gesamtheit der wöchentlichen Schulstunden, insbesondere wenn die 
Lehrpläne nichtsächsischer Schulen zum Vergleiche gezogen werden, noch 
als recht ansehnlich. 
Lassen dessenungeachtet die Unterrichtserfolge hier und da zu wün- 
schen übrig, so mag bemerkt sein, daß nach der schon erwähnten 
seiten des Königl. Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unter- 
richts an die Bezirksschulinspektoren ergangenen Generalverordnung 
vom 21. Mai 1881 die Füglichkeit vorhanden ist, unter gewissen Vor- 
aussetzungen die Zahl der Religionsstunden in den oberen Klassen bis 
auf weiteres um eine Stunde zu erhöhen. 
Die fragliche Generalverordnung besagt nämlich u. a.: „In den 
Fällen, wo der ungenügende Stand des Religionsunterrichts unverkenn- 
bar als Folge der für denselben jetzt bestimmten wöchentlichen Stunden- 
zahl anzusehen ist, hat der Bezirksschulinspektor nach vorgängigem 
Bernehmen mit dem kirchlichen Aufsichtsbeamten bis auf weiteres die 
Einführung einer fünften Religionsstunde zu verfügen. Diese ist, wenn 
nicht etwa der Schulvorstand eine Uberstunde bewilligt, je nach Maß- 
gabe der konkreten Verhältnisse entweder durch zeitweise Beschränkung 
oder einstweilige Sistierung eines derjenigen Unterrichtsgegenstände zu 
gewinnen, welche nach § 4 Abs.7 in Verbindung mit § 2 des Gesetzes 
vom 26. April 1873 zu den minder wesentlichen der Volksschule gehören. 
Für welchen oder welche Zweige des Religionsunterrichts die gewonnene 
Stunde zu verwenden ist, hat der Bezirksschulinspektor im Einverständnis 
mit dem kirchlichen Aufsichtsbeamten nach den lokalen Verhältnissen zu 
bestimmen; von der Einführung einer besonderen Rezitierstunde ist indes 
unter allen Umständen abzusehen.“ 
Dieser Anordnung nunmehr in allen einschlagenden Fällen nach- 
zugehen, sind die Bezirksschulinspektoren i. J. 1892 angewiesen worden. 
Das hat sich aber dem Vernehmen nach nur selten notwendig gemacht. 
Gegenüber der Bestimmung des Lehrplanes, daß dem Katechismus- 
unterricht in jeder Woche 2 Stunden zu widmen sind, ist in neuerer 
Zeit der Vorschlag gemacht worden, es möge den einzelnen Schulen 
freigestellt werden, die für den Religionsunterricht der oberen Klassen 
wöchentlich verfügbaren 4 Stunden nach Bedürfnis auf Katechismus 
und Biblische Geschichte zu verteilen. Eine allgemeine Anordnung im 
Sinne dieses Vorschlages erscheint jedoch schon um deswillen bedenklich, 
weil sie wahrscheinlich zahlreiche den Lehrbetrieb beunruhigende Experi- 
mente zweifelhaften Wertes zur Folge haben würde. — Vergl. hierzu: 
S. Bang, Zur Reform des Katechismusunterrichts (Leipzig). 
230) Noch immer ist hier und da zu bemerken, daß die Ge- 
danken der von den Kindern zu lernenden Bibelsprüche und Kirchen- 
lieder innerhalb der Katechismusunterredungen zu wenig verwertet 
werden. Anstatt diesen Memorierstoff und seine Erklärung in die 
Katechesen selbst planmäßig einzuordnen, begnügt man sich damit, 
ihn nachträglich wie ein unwesentliches Anhängsel zu behandeln oder
	        
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