40 § 2. Religions= und Sittenlehre.
Es mag dahingestellt sein, ob die Erfolge des Religionsunterrichts
in der Tat ab-, oder nicht vielmehr zugenommen haben; jedenfalls
aber erscheint die ihm zugewiesene Stundenzahl im Verhältnis zur
Gesamtheit der wöchentlichen Schulstunden, insbesondere wenn die
Lehrpläne nichtsächsischer Schulen zum Vergleiche gezogen werden, noch
als recht ansehnlich.
Lassen dessenungeachtet die Unterrichtserfolge hier und da zu wün-
schen übrig, so mag bemerkt sein, daß nach der schon erwähnten
seiten des Königl. Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unter-
richts an die Bezirksschulinspektoren ergangenen Generalverordnung
vom 21. Mai 1881 die Füglichkeit vorhanden ist, unter gewissen Vor-
aussetzungen die Zahl der Religionsstunden in den oberen Klassen bis
auf weiteres um eine Stunde zu erhöhen.
Die fragliche Generalverordnung besagt nämlich u. a.: „In den
Fällen, wo der ungenügende Stand des Religionsunterrichts unverkenn-
bar als Folge der für denselben jetzt bestimmten wöchentlichen Stunden-
zahl anzusehen ist, hat der Bezirksschulinspektor nach vorgängigem
Bernehmen mit dem kirchlichen Aufsichtsbeamten bis auf weiteres die
Einführung einer fünften Religionsstunde zu verfügen. Diese ist, wenn
nicht etwa der Schulvorstand eine Uberstunde bewilligt, je nach Maß-
gabe der konkreten Verhältnisse entweder durch zeitweise Beschränkung
oder einstweilige Sistierung eines derjenigen Unterrichtsgegenstände zu
gewinnen, welche nach § 4 Abs.7 in Verbindung mit § 2 des Gesetzes
vom 26. April 1873 zu den minder wesentlichen der Volksschule gehören.
Für welchen oder welche Zweige des Religionsunterrichts die gewonnene
Stunde zu verwenden ist, hat der Bezirksschulinspektor im Einverständnis
mit dem kirchlichen Aufsichtsbeamten nach den lokalen Verhältnissen zu
bestimmen; von der Einführung einer besonderen Rezitierstunde ist indes
unter allen Umständen abzusehen.“
Dieser Anordnung nunmehr in allen einschlagenden Fällen nach-
zugehen, sind die Bezirksschulinspektoren i. J. 1892 angewiesen worden.
Das hat sich aber dem Vernehmen nach nur selten notwendig gemacht.
Gegenüber der Bestimmung des Lehrplanes, daß dem Katechismus-
unterricht in jeder Woche 2 Stunden zu widmen sind, ist in neuerer
Zeit der Vorschlag gemacht worden, es möge den einzelnen Schulen
freigestellt werden, die für den Religionsunterricht der oberen Klassen
wöchentlich verfügbaren 4 Stunden nach Bedürfnis auf Katechismus
und Biblische Geschichte zu verteilen. Eine allgemeine Anordnung im
Sinne dieses Vorschlages erscheint jedoch schon um deswillen bedenklich,
weil sie wahrscheinlich zahlreiche den Lehrbetrieb beunruhigende Experi-
mente zweifelhaften Wertes zur Folge haben würde. — Vergl. hierzu:
S. Bang, Zur Reform des Katechismusunterrichts (Leipzig).
230) Noch immer ist hier und da zu bemerken, daß die Ge-
danken der von den Kindern zu lernenden Bibelsprüche und Kirchen-
lieder innerhalb der Katechismusunterredungen zu wenig verwertet
werden. Anstatt diesen Memorierstoff und seine Erklärung in die
Katechesen selbst planmäßig einzuordnen, begnügt man sich damit,
ihn nachträglich wie ein unwesentliches Anhängsel zu behandeln oder