§ 2. Religions= und Sittenlehre. 43
Lehrplänen sämtlicher evangelischen Volksschulen des Landes in zweck-
mäßiger Verteilung auf die verschiedenen Unterrichtsstufen ein-
zuordnen sind. Hierbei ist jedoch nachstehendes noch besonders hervor-
zuheben.
Indem die gedachte Zusammenstellung sich darauf beschränkt, das
geringste Maß des Memorierstoffes in Absicht auf Einheit und Gründ-
lichkeit des Religionsunterrichts festzusetzen, soll selbstverständlich einem
weiteren und reicheren Ausbau desselben kein Hindernis entgegengestellt
werden. Wenn sodann eine Reihe Bibelstellen, die als integrierende
Teile biblischer Geschichten zu betrachten sind, Aufnahme in das Ver-
zeichnis nicht gefunden haben, so ist man von der Voraussetzung aus-
gegangen, daß dieselben auch künftig ohne ausdrückliche Anordnung
wie bisher innerhalb der Lehrstunden selbst zur Einprägung gelangen
werden. Dasselbe gilt auch von einzelnen beim Unterrichte gern ge-
brauchten Liederversen, deren das Verzeichnis nicht besonders gedacht
hat Anderseits haben aber auch die Lehrer bezüglich derjenigen
inder, welche am Religionsunterrichte teilnehmen, ohne der evan-
gelisch-lutherischen Kirche anzugehören, bei der Aufgabe und Behand-
lung der Memorierstoffe die in der Natur der Sache liegenden Rück-
sichten zu beobachten.
Bei der Verteilung des religiösen Memorierstoffes endlich ist zu
beachten, daß auch die aus niederen Klassen gegliederter Schulen dem
Konfirmandenunterrichte zuzuführenden Kinder bereits mit dem größeren
Teile des Katechismus (erstes und zweites Hauptstück, Vaterunser ohne
die Luthersche Erklärung, die ersten drei Fragen der beiden Haupt-
stücke von den Sakramenten), sowie mit den wichtigsten zugehörigen
Bibelstellen bekannt sein sollen.
Hiernach haben sich alle, die es angeht, zu achten.“
Der gedachte religiöse Memorierstoff ist im Königl. Ministerium
des Kultus und öffentlichen Unterrichts auf Grund ins einzelne gehender
Vorschläge sämtlicher Bezirksschulinspektoren, die zuvor auch mit den
kirchlichen Aufsichtsbeamten sich zu vernehmen und überdies die bei
Prüfung der Lehrpläne gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen
hatten, festgestellt worden. Diese Vorschläge wichen zwar voneinander
ab, die schließlich getroffene Auswahl aber darf dessenungeachtet der
Hauptsache nach als der Ausdruck dessen, wofür eine größere oder
geringere Mehrheit von Stimmen sich erklärt hatte, angesehen werden.
Völlige Ubereinstimmung der Ansichten kann ja in solchen Fragen be-
kanntlich niemals erzielt werden. „Fast jedermann hat seine be-
sonderen Wünsche.“
Mit Feststellung des religiösen Memorierstoffes ist, wie man seinerzeit
gihagt hat, nicht nur eine lange Reihe pädagogischer Bestrebungen zum
bschluß gebracht, sondern auch den Lehrern eine feste Grundlage für
ihre Arbeit und Sicherstellung gegen subjektive, mit den Personen
wechselnde Ansprüche geboten worden. Zugleich aber wehrt dieselbe
auch pädagogischer Willkür, setzt die mit Beaussichtigung des Religions-
und Erteilung des Konfirmandenunterrichts betrauten Geistlichen in
Keuntnis darüber, worauf sie in den angedeuteten Beziehungen rechnen
können, und begegnet wenigstens in etwas den Nachteilen, welche für