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10.
Auf Grund der 88 4 und 9 des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 (Gesetzsamml. S. 451 ff.)
wird hierdurch im Interesse der öffentlichen Sicherheit bezüglich der in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten russischen
Arbeiter folgendes angeordnet:
1. Für die im Alter von 17 bis 45 Jahren stehenden männlichen russischen Arbeiter fällt die Karenzzeit in diesem
Jahre fort. Sie haben sämtlich den Winter über am Orte ihrer bisherigen Arbeitsstelle zu verbleiben und dürfen die Grenze
des Ortspolizeibezirks nicht ohne schriftliche Genehmigung der Ortspolizeibehörde überschreiten. Der Ubergang in eine neue
Arbeitsstelle ist nur unter Beobachtung der für die Umschreibung der Arbeiter-Legitimationskarte geltenden Vorschriften zulässig
und, wenn die neue Arbeitsstelle in einem anderen Ortspolizeibezirk liegt, an die Genehmigung des für die bisherige Arbeitsstelle
zuständigen Landrats gebunden.
Zuwiderhandlungen hiergegen werden, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis
bis zu einem Jahre bestraft.
Sofern sich die gedachten Russen zurzeit auf einer Arbeitsstelle befinden, auf der sie bereits seit mindestens dem
1. August 1914 beschäftigt werden, sind ihre bisherigen Arbeitgeber verpflichtet, ihnen während des Winters Unterkunft und
Verpflegung zu gewähren. Hierfür ist von den russischen Arbeitern vom 1. Dezember ab eine Entschädigung von 50 Pfennig
pro Kopf und Tag zu bezahlen, vorbehaltlich der Aufrechnung gegen eine etwa hinterlegte Kaution oder gegen Lohnbeträge,
welche sie auf Grund eines für die Wintermonate etwa neu abgeschlossenen Arbeitsvertrages verdienen.
2. Die unter 17 und über 45 Jahre alten männlichen und die weiblichen russischen Arbeiter können, soweit sie durch
Arbeitsverträge nicht gebunden sind, das Inland verlassen, sofern sie im Besitze einer direkten Fahrkarte nach einer Eisenbahnstation
eines neutralen Landes und eines von der gesandschaftlichen oder konsularischen Vertretung des neutralen Staates visierten Passes
sind. Zur Ausreise bedürfen sie der ortspolizeilichen Beisetzung eines Vermerks auf dem Passe: „Ausreise nah.......
ist genehmigt. Die Ortspolizeibehörde (Stempel und Unterschrift)".
3. Sobald die militärischen und die Verkehrsverhältnisse die unmittelbare Rückkehr der unter 17 und über 45 Jahre
alten männlichen und der weiblichen russischen Arbeiter (Ziffer 2) nach ihrer Heimat (Üüber die Landesgrenze) gestatten, müssen
sie das Inland verlassen, wenn sie durch Arbeitsverträge nicht mehr hier gebunden sind oder wenn nicht ihre bisherigen Arbeit-
geber neue Arbeitsverträge für den Winter mit ihnen abschließen. Die Rücksendung der Heimkehrenden erfolgt durch die
Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes. Die Kosten der Heimreise trägt, soweit er vertraglich dazu verpflichtet ist, der
Arbeitgeber, sonst der Heimkehrende selbst.
4. Solange die unmittelbare Heimkehr in die Heimat aus militärischen oder Verkehrsrücksichten nicht ausführbar ist,
haben auch unter 17 und über 45 Jahre alte männliche sowie die weiblichen russischen Arbeiter (Ziffer 3) bis auf weiteres auf
ihren bisherigen Arbeitsstellen zu verbleiben. Ebensolange greifen auch für sie und ihre Arbeitgeber die Bestimmungen unter Ziffer 1 Platz.
5. Sobald die unmittelbare Heimkehr möglich ist, wird die# bekannt gegeben werden.
6. Grundsätzlich und unbeschadet der vorstehenden Bestimmungen wird der Beginn der diesjährigen Karenzzeit für
rusfisch-olnische Arbeiter auf den 1. Dezember 1914 festgesetzt.
Magdeburg, den 5. Oktober 1914.
Das stellvertretende Generalkommando des IV. Armeekorps.
Freiherr von Lyncker.
11.
Bekanntmachung.
Die zu Lieferungen für die Heeresverwaltung verpflichteten Fabrikanten werden vielfach von ihrer Privatkundschaft,
sogar unter Klageandrohung, zur Erfüllung der dieser gegenüber eingegangenen Lieferungsverpflichtungen in einer Weise gedrängt,
daß das Interesse der Heeresverwaltung darunter leidet. Ich sehe mich deshalb veranlaßt, allen zu Lieferungen für die Heeres-
verwaltung Verpflichteten — Fabrikanten, Handwerkern, Kaufleuten usw. — hierdurch zu verbieten, Aufträge ihrer Privatkund-
schaft vor den Aufträgen der Heeresverwaltung, d. h. unter Zurückstellung dieser zu erledigen.
Der stellvertretende Kommandierende General.
Freiherr von Lyncker,
General der Infanterie, à la suite des Luftschiffer-Bataillons Rr. 2.