7. Vandeseinwohner, die Besitzer von Brieftauben sind oder fremde Brieftauben be—
herbergen, haben hiervon sofort nach dem Erscheinen dieser Bekanntmachung der Polizei bezw.
dem Ortsvorstand und dem nächsten militärischen Befehlshaber Anzeige zu erstatten.
Die zum militärischen Nachrichtendienst benutzten Brieftauben tragen die ihnen anver-
trauten Depeschen in Aluminiumhülsen, die an den Schwanzfedern oder an den Ständern
befestigt sind. «
Trifft eine Taube mit Depesche in einem fremden Taubenschlage ein oder wird sie
eingefangen, so ist sie ohne Berührung der an ihr befindlichen Depesche unverzüglich an die
oberste Militärbehörde auszuhändigen. Ist eine solche nicht am Orte, so ist die Taube an den
Gemeindevorstand zu übergeben, der für die Weiterbeförderung der Depesche an die Militär-
behörde oder an den Befehlshaber der nächsten Truppenabteilung zu sorgen hat.
Die Durchführung dieses Verfahrens erheischt die tätige Mitwirkung der gesamten Be-
völkerung. Von ihrer patriotischen Gesinnung wird erwartet, daß jedermann, der in den Besitz
einer Brieftaube gelangt, bereitwillig den vorstehenden Anordnungen entsprechen wird 1).
8. Alle Landeseinwohner sind verpflichtet, Nachrichten, die ihnen über russische mili-
tärische Maßnahmen zukommen, dem nächsten Militärbefehlshaber, nötigenfalls durch Vermittlung
der Ortsbehörde zuzustellen.
9. Der Betrieb der bürgerlichen Geschäfte, der Königlichen und Privatarbeiten, des
Handels und der Gewerbe wird durch den Kriegszustand nicht weiter beschränkt.
Der Kommandierende General XX. Armeekorps.
v. Scholtz.
1) Vgl. Verordnung vom 3. Juli 1916. Verkehr mit Tauben.
Generalkommando
XX. Armeekorps. Allenstein, den 5. August 1914.
Abt. III Nr. 68/8.
Außerkraftsetzung des Artikel 7 Preuß.
Verfassung für 11 Grenzkreife.
Bekanntmachung.
Im Anschluß an meine Bekanntmachung über den Kriegszustand setze ich für die
Kreise Lötzen, Sensburg, Johannisburg, Lyck, Allenstein, Ortelsburg, Osterode, Neidenburg,
Rosenberg und Löbau den Artikel 7 der Preuß. Verfassungsurkunde vom 31 Januar 1850
außer Kraft.
Es wird zur Anordnung von Kriegsgerichten geschritten werden. Vor diese gehört
die Untersuchung und Aburteilung der Verbrechen des Hochverrats, des Landesverrats, des
Mordes, des Aufruhrs, der tätlichen Widersetzung, der Zerstörung von Eisenbahnen und Tele-
graphen, der Befreiung von Gefangenen, der Menuterei, des Raubes, der Plünderung, der Er-
pressung, der Verleitung der Soldaten zur Untreue und der in den §§ 8 und 9 des GOesetzes
über den Kriegs-(Belagerungs-) Zustand vom 4. 6. 1851 mit Strafe bedrohten Verbrechen und
Vergehen, insofern alle genannten Verbrechen und Vergehen nach der Erklärung und Bekannt-
machung des Belagerungezustandes begangen oder fortgesetzte Verbrechen sind.
Das vorerwähnte Gesetz bestimmt in:
§ 8. Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte der vorsätz-
lichen Brandstiftung, der vorsätzlichen Verursachung einer Ueberschwemmung oder des Argriffs
oder des Widerstandes gegen die bewaffnete Macht oder Abgeordnete der Zivil= oder Militär-
behörde in offener Gewalt und mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen versehen sich schuldig
macht, wird mit dem Tode bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann statt der Todesstrafe auf zehn= bis
zwanzigjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.
§ 9. Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte
a) in Beziehung auf die Zahl, die Marschrichtung oder angebliche Siege der Feinde oder
Aufrührer wissentlich falsche Gerüchte ausstreut oder verbreitet, welche geeignet sind, die
Zivil= oder Militärbehörden hinsichtlich ihrer Maßregeln irre zu führen, oder
b) ein bei Erklärung des Belagerungszustandes oder während desselben vom Militärbefehls-
haber im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenes Verbot übertritt oder zu solcher
Uebertretung auffordert oder anreizt, oder
c) zu dem Verbrechen des Aufruhrs, der tätlichen Widersetzlichkeit, der Befreiung eines Ge—
fangenen oder zu anderen im § 8 vorgesehenen Verbrechen, wenn auch ohne Erfolg, auf-
fordert oder anreizt, oder
d) Personen des Soldatenstandes zu Verbrechen gegen die Subordination oder Vergehungen
gegen die militärische Zucht und Ordnung zu verleiten sucht,
soll, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis bis zu
einem Jahre bestraft werden.
Der Kommandierende General XX. Armeekorps
v. Scholtz.