Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

s14 Die Reichsbeamten. 101 
nommen werden; ebensowenig ist es wesentlich, dass die Führung der Amts- 
geschäfte berufs mässig erfolgt, sie kann auch eine Nebenbeschäftigung 
bilden. Ganz gleichgültig für den Beamtenbegriff ist es, ob die Geschäfte 
höhere oder niedere sind, insbesondere ob mit der Amtsführung die Hand- 
habung obrigkcitlicher Befugnisse (Hohcitsrechte) verbunden ist, oder ob sie 
in der Verrichtung technischer Arbeiten besteht !). Der Beamte steht im 
Gegensatz zu denjenigen Personen, welche amtliche Verrichtungen kraft einer 
gesetzlichen Verpflichtung versehen, wie Geschworene, Schöffen, 
Wahlvorstände, Mitglieder von Einschätzungskommissionen usw.; seine 
Verpflichtung beruht auf freiwilliger Uebernahme ?). Er steht anderer- 
seits im Gegensatz zu denjenigen Personen, welche durch einen privat- 
rechtlichen Vertrag sich dem Fiskus zu Arbeitsleistungen verpflichtet 
haben. Die letzteren stehen dem Fiskus gleichberechtigt gegenüber, deı Be- 
amte dagegen unterwirft sich einer Dienstgewalt; der Staatsdienst- 
Vertrag ist ein Geschäft des öffentlichen Rechts, er begründetpotenzierte 
Untertanen-Pflichten. 
Nach dem entwickelten Begriff unterscheiden sich Reichsbeamte 
von Landes beamten einfach dadurch, dass die ersteren in einem Dienst- 
verhältnis zum Reich (Kaiser), die letzteren in einem Dienstverhältnis zum 
Einzelstaat (Landesherrn) stehen; und es findet dies äußerlich seinen Aus- 
druck darin, dass die ersteren vom Kaiser (RV. Art. 18) oder im Namen und 
Auftrag desselben von einer Reichsbehörde, die letzteren vom Landesherrn 
oder im Namen und Auftrag desselben von einer Landesbehörde angestellt 
werden. Das Reichsbeamtengesetz aber ist anwendbar nicht nur auf die 
vom Kaiser angestellten Beamten, sondern auch auf diejenigen Landes- 
beamten, welche nach Vorschrift der RV. den Anordnungen des Kaisers Folge 
zu leisten verpflichtet sind °), d. h. die Post- und Telegraphenbeanmten (ausser 
in Bayern und Württemberg) und die Militärbeamten (ausser in Bayern). 
Diese Landesbeamten werden daher als ‚mittelbare Reichsbeamte‘“‘ bezeich- 
1) Nur ein sehr kleiner Bruchteil der Beamten hat die Staatsgewalt als solche, 
d. h. die Herrschaftsrechte, auszuüben. Die zahllosen Schreiber, Kalkulatoren, Regi- 
stratoren, Revisoren, Rendanten, die nicht minder zahllosen Beamten, welche natur- 
wissenschaftliche, historische, artistische, bautechnische, statistische und andere Ar- 
beiten machen, die Lehrer aller Ordnungen usw. haben zwar im Gegensatz zu den 
freien Gewerbetreibenden ‚„arntliche‘‘ oder „staatsdienstliche‘‘ Verrichtungen, aber keine 
„obrigkeitlichen‘“. 
2) Anderer Ans. bes. O0. Mayerim Arch. £f. öffentl. R. Bd.3 8.42. v. Rhein- 
baben, Preuss. Disziplinargesetze. Berl. 1904. S. 29. Preuss, Das städtische 
Amtsrecht in Preussen (Berlin 1902); vgl. jedoch Jellinek.a. a. O. S. 179, 209 fg. 
und besonders meine Erörterungen im Archiv f. öffentl. R. Bd. 18 S. 75 ff. Es gibt 
allerdings Fälle, in welchen eine gesetzliche Pflicht besteht, in ein Beanıtenverhältnis 
einzutreten, namentlich ein durch Wahl übertragenes Ehrenamt anzunehmen. Es ist 
dies eine Zwischenbildung zwischen dem Dienstverhältnis des Beamten und der Amts- 
pflicht des Untertanen. Mit dem ersteren besteht Uebereinstimmung hinsichtlich der 
Dauer des Verhältnisses, der Dienstgewalt, des Disziplinarrechts, der Suspension vom 
Amt und der Amtsentlastung u. a, mit der letzteren hinsichtlich der gesetzlichen 
Verpflichtung zur Amtsführung. Dass die Dauer der Amitsverrichtungen nicht 
allein das massgebende Unterscheidungsmerkmal ist, wie vv. Rheinhaben a. a. 
O. annimmt, beweist der Vormund, der ein dauerndes Amt versieht, aber kein Be- 
amter ist. 
3) RG. $ 1.
	        
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