Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

g 14 Die Reichsbeamten. 103 
  
  
Reichsgesetzes die Ausfertigung einer Anstellungs-Urkunde (Bestallung). Da- 
durch ist der mündliche Abschluss des Rechtsgeschäftes ausgeschlossen. Die 
Mitglieder der höheren Reichsbehörden, sowie diejenigen Reichsbeamten, 
welche nach ihrer dienstlichen Stellung denselben vorgehen oder gleichstehen, 
und die Konsuln erhalten eine kaiserliche Bestallung; dagegen werden 
die Anstellungs-Urkunden der übrigen Reichsbeamten im Namen des Kaisers 
vom Reichskanzler oder von den durch denselben dazu ermächtigten Be- 
hörden erteilt !). Die Ausstellung einer schriftlichen Erklärung (Reverses) des 
Beamten über seinen Eintritt in den Reichsdienst findet nicht statt; der 
Vertrag wird vielmehr abgeschlossen durch die vorbehaltslose Annahme der 
Anstellungs-Urkunde seitens des Beamten ?). Für die Berechnung des Be- 
soldungsdienstalters gilt als Tag der Anstellung der Tag, von dem ab das 
Diensteinkommen der etatsmässigen Stelle bezogen wird. Besold.Ges. 
$ 6 Abs. 1. Die im ausseretatsmässigen Reichsbeamtenverhältnis vor der 
ersten etatsmässigen Anstellung verbrachte Zeit wird teilweise angerechnet. 
Daselbst Abs. 2—4. 
Die Ableistung eines Diensteidesistzur Perfektion des Anstellungs- 
Vertrages nicht erforderlich, wohl aber zur Uebernahme eines Reichs a m- 
tes°). Die Pflicht der Kautionsleistung der mit einer Kassen- oder Magazin- 
verwaltung betrauten Beamten ist durch das Reichsges. vom 20. Febr. 1898 
(RGBl. S. 29) aufgehoben worden. ' 
II. DiePflichtenundBeschränkungenderReichs- 
beamten. 
1. Jeder Reichsbeamte hat die Verpflichtung, das ihm übertragene Amt 
der Verfassung und den Gesetzen entsprechend, gewissenhaft wahrzuneh- 
men ?). Von der Vornahme einzelner amtlicher Geschäfte kann der Beamte 
auf seinen Antrag von der vorgesetzten Dienstbehörde dispensiert werden 5); 
zum zeitweisen Verlassen des Amtes bedarf der Beamte eines Urlaubs, aus- 
genommen in Krankheitsfällen und um in den Reichstag einzutreten ®). Die 
1) V. v. 23. Nov. 1874. (RGBl. S. 135.) 
2) Wenn der Beamte vor dem Empfang der Bestallung, deren Ausfertigung bis- 
weilen aus tatsächlichen Gründen sich verzögert, in die Amtstätigkeit eintritt und diese 
seitens der zuständigen Behörde angenommen wird, so wird der Anstellungsvertrag per- 
fekt, da hierdurch der beiderseitige Vertragswille in konkludenter Weise erklärt wird. 
Für den Beginn des Dienstverhältnisses ist daher maßgebend, wenn der Empfang der 
Bestallung und der tatsächliche Eintritt in den Dienst zeitlich nicht zusammenfallen, 
diejenige dieser beiden Tatsachen, welche zuerst eintritt. 
3) RG. $ 3. Ueber die Eidesformel der unmittelb. Reichsbeamten vgl. V. v. 29. 
Juni 1871 (RGBI. 8. 303), hinsichtlich der mittelbaren Reichsbeamten RV. Art. 50. Ueber 
die rechtliche Bedeutung des Diensteides vgl. die Entsch. des RG.s v. 6. Mai 1902. 
Entsch. in Civils. Bd. 51 S. 290 ff. 
4) RG. $ 10. 
5) Ein Recht auf Dispensation ist für die Beamten in dem Falle anzunehmen, 
wenn das von ihnen zu erledigende Geschäft ihr eigenes Privatinteresse oder dasjenige 
ihrer Angehörigen berührt. Für die Richter ist es ein allgemein anerkannter Grund- 
satz, dass sie von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in allen solchen Sa- 
chen ausgeschlossen sind. CivilprozO. $ 41. $ 551 Ziff. 2. StrafprozO. $ 22. 
6) RV. Art. 21 Abs. 1. Die Stellvertretungskosten fallen der Reichskasse zur 
Last. Reichsbeamtenges. $ 14. Ebenso in Krankheitsfällen. Zum Eintritt in einen Land- 
tag oder einen kommunalen Vertretungskörper bedürfen Reichsbeamte des Urlaubs; 
ebenso Landesbeamte zum Eintritt in den Reichstag, wenn'nicht das Landesgesetz 
anders bestimmt. 
 
	        
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