Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

140 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 16 
  
  
kraft Delegation erlassenen Verordnungen können nur solche Materien be- 
treffen, welche von der Reichsgesetzgebung geregelt sind, und können nur 
solche Bestimmungen enthalten, welche innerhalb des durch die Regeln des 
Reichsgesetzes gegebenen Rahmens fallen; sie sind Anordnungen intra legem 
imperii. Daraus folgt, dass alle autonomischen Anordnungen in den Formen 
erlassen werden müssen, welche das Landesstaatsrecht vorschreibt; insbe- 
sondere, wenn es sich dabei um die Veränderung des bestehenden Rechts- 
zustandes handelt, im Wege der Landesgesetzgebung. Dagegen sind die vom 
Reich delegierten Verordnungen in den vom Reich dafür vorgeschriebenen 
Formen zu erlassen; es hängt also von dem Wortlaut der Delegation in dem 
einzelnen Reichsgesetz ab, ob die Ausführungs-Bestimmungen im Wege der 
Landesgesetzgebung oder durch landesherrliche Verordnung oder durch Ver- 
ordnung der obersten Regierungsbehörden u. dgl. zu erlassen sind. Nur wenn 
das Reichsgesetz nichts darüber bestimmt; treten die Vorschriften des Landes- 
staatsrechts ein. 
Die Delegation an die Einzelstaaten kann auch in der Art beschränkt 
sein, dass nur der formelle Erlass (die Sanktion) der Anordnungen ihnen zu- 
steht, der materielle Inhalt derselben dagegen vom Bundesrat festgestellt 
wird !); oder dass ihnen die Anordnung von Ausführungs-Bestimmungen nur 
subsidiär übertragen ist, d. h. soweit nicht der Bundesrat selbst sie erlässt ?). 
4. Die Verordnung bedarf wie das Gesetz einer formellen und authenti- 
schen Erklärung, d.h.einer Ausfertigung. Hinsichtlich der vom Kaiser 
zu erlassenden Verordnungen versteht es sich von selbst, dass sie vom Kaiser 
ausgefertigt werden; die Ausfertigung besteht in einer vom Kaiser unterschrie- 
benen, mit dem Kaiserl. Siegel versehenen, datierten und vom Reichskanzler 
oder einem verantwortlichen Stellvertreter desselben gegengezeichneten Ur- 
kunde. Ist der Erlass der Verordnung dem Reichskanzler übertragen, so ist 
die Urkunde, welche die Verordnung enthält, von ihm oder seinem verant- 
wortlichen Stellvertreter zu unterzeichnen. Die Form, in welcher die von den 
Einzelstaaten zu erlassenden Verordnungen auszufertigen sind, bestimmt sich, 
falls nicht etwa das Reichsgesetz darüber eine Anordnung trifft, nach dem 
Landesstaatsrecht. Was endlich die Bundesrats-Verordnungen anlangt, so 
liegt die Ausfertigung dem Vorsitzenden, also dem Reichskanzler oder seinem 
Stellvertreter im Vorsitz des Bundesrates ob ?). 
Die rechtliche Bedeutung der Ausfertigung ist bei den Verordnungen die- 
selbe wie bei den Gesetzen. Es wird durch dieselbe authentisch bekundet, dass 
die Verordnung formell ordnungsmässig zustande gekommen ist und dass sie 
den in der Urkunde enthaltenen Wortlaut hat %). Wenn z. B. in der Ausferti- 
gungsformel einer kaiserlichen Verordnung bezeugt wird, dass dieselbe mit 
Zustimmung des Bundesrates oder im Einvernehmen mit dem Bundesrat 
— 
  
1) Vgl. z.B. Ges. v. 7. April 1869 $8 7.8. Ges. v. 25. Febr. 1876 $4. Vgl. Hänel, 
Staatsr. I 9. 290 fg. 
2) Vgl. z. B. Ges. v. 6. Febr. 1575 $ 83. 
3) Die Vertretung bestimmt sich in diesem Falle nach Art. 15 der RV. VUeberein- 
stimmend ITTänel, Studien II S. 59. 
4) Thoma, Polizeibefehl I S. 429 fg. 441.
	        
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