$ 18 Die Verwaltung. I. Der subjektive Begriff. 147
Rücknahme desselben auffordert !). Im Fall einer Meinungsverschiedenheit
zwischen der Reichsregierung und der Regierung des Einzelstaates hat der
Bundesrat die Erledigung zu beschliessen. RV. Art. 7 Ziff. 3.
$ 18. Die Verwaltung?). I. Der subjektive Begriff. Die
Lehre von der Teilung der Gewalten, welche der Theorie des sogen. konstitu-
tionellen Stastsrechts zugrunde liegt, geht nicht aus von dem verschiedenen
Inhalt oder Tatbestand der staatlichen Akte, sondern von der verschie-
denen staatsrechtlichen Stellung der Organe. Da die Freiheit und Un-
verantwortlichkeit des Gesetzgebers nicht wirksam beschränkt werden kann,
entzieht das konstitutionelle Verfassungsrecht dem Staatsoberhaupt die Aus-
übung dieser Befugnis nach eigenem Ermessen und stellt ihm ein Organ zur
Seite, dessen Willensbestimmung ihm gegenüber frei und selbständig ist und
ohne dessen Zustimmung er Gesetzgebungsakte nicht vornehmen kann. Hier-
durch entsteht, wenigstens dem Anscheine nach, eine von der Gewalt des
Staatsoberhauptes verschiedene, der letzteren selbständig gegenüber tretende
Gewalt im Staate, ein pouvoir legislatif. Die Gesetzgebung lässt alsdann
nicht bloss die Auffassung als eines objektiven Vorganges, einer gewissen Art
von staatlicher Willensbetätigung zu, sondern sie gestattet die Vorstellung
eines mit rechtlichen Machtbefugnissen versehenen Subjekts im Um-
terschied vom Monarchen. Die Befugnisse des Gesetzgebungsorgans brau-
chen sich aber nicht vollständig zu decken mit der Regelung der Recht, ord-
nung; das positive Recht kann vielmehr einerseits die Zuständigkeit dieses
Organes ausdehnen auf staatliche Willensakte, die einen anderen Inhalt als
die Rechtsordnung haben, und andererseits unter gewissen Voraussetzungen
oder Einschränkungen den Erlass von Rechtsvorschriften einem anderen
Organ zuweisen (formelle Gesetze ohne Rechtsinhalt und Rechtsverordnungen
ohne Gesetzesform). Das gemeinsame staatsrechtliche Merkmal aller zur
Zuständigkeit des Gesetzgebungsorgans gehörender Akte ist aber die Un-
gebundenheit und Unverantwortlichkeit, mit welcher dieses
Organ dem Recht gegenüber steht.
Eine ganz ähnliche Gedankenreihe führt zur Aufstellung des pouvoir
judiciaire. Die durch das Bedürfnis der Rechtspflege gebotene Unabhängig-
keit der Gerichte von Anweisungen des Staatsoberhauptes und der von ihm
ernannten Beamten erweckt den Anschein, als ob es innerhalb des Staates
eine dem Staatsoberhaupt gegenüber selbständige und unabhängige Gewalt
1) Die Rücknahme ist kein Gesetzgebungsakt im materiellen Sinn; denn was an
sich nichts ist, braucht nicht durch Aufstellung einer neuen Rechtsregel vernichtet zu
werden. Die Rücknahme ist nur die authentische Anerkennung und Konstatierung, dass
das betreffende Gesetz reichsgesetzwidrig und deshalb rechtsunwirksam ist. Die Ge-
setzesform ist hierfür nicht erforderlich, aber auch nicht unzulässig.
2) Ulbrich, Der Rechtsbegriff der Verwaltung (in Grünhuts Zeitschrift Bd. 9
S.1ff.) Rosin, Polizeiverordnungsr. S.1ff. Gareis, Allgem. Staatsr. S. 178 ff.
G. Meyer, Staatrecht $ 176 ff. u. Meyer-Dochow, D. Verwaltungsr. (Leipz.
1910) $1fg. O0. Mayer, Deutsch. Verwaltungsr. I. S.1ff. Bernatzik, Recht-
sprechung u. materielle Rechtskraft. Wien 1886, S. 1—82. Jellinek, Ges. u.
Verordn. S. 213 fg. u. 366 fg. u. Allgem. Staatslehre S. 597 ff. Anschütz, Kirit.
Studien S. 51ff. u. Encycl. 8. 610. Thoma Polizeibefehl I S. 2lff. Fr. Fleiner
Institut. des D. Verwr. (Tüb. 1911) S. 1—61.
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