Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

152 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 18 
  
halb desselben erstreckt. Wenn einer Behörde staatliche Herrschaftsbefug- 
nisse für gewisse Angelegenheiten übertragen werden sollen, so dass sie den 
Untertanen Befehle erteilen und sie zu Leistungen oder Unterlassungen zwin- 
gen kann, so ist die Schaffung einer solchen Behörde und die Bestimmung 
ihrer Kompetenz ein Teil der Rechtsordnung. Dies kann auch von ihrer Zu- 
sammensetzung, der Qualifikation ihrer Mitglieder, dem von ihr innezuhalten- 
den Verfahren gelten, wenn der einzelne einen öffentlich-rechtlichen Anspruch 
darauf hat, dass die ihm gebietende Behörde, z. B. das Gericht, in einer ge- 
wissen Weise gebildet wird und ein gewisses Verfahren beobachtet !). An- 
dererseits kann die Errichtung von Behörden, ihre Geschäftsverteilung, ihre 
Organisation und ihr Verfahren ein Internum der Verwaltung sein, welches 
ohne Rechtswirkung für Dritte ist und eben deshalb die Rechtsordnung nicht 
berührt. Nur ist hierbei zu beachten, dass eine Behördeneinrichtung, welche 
in der Form des Gesetzes angeordnet ist, wegen der formellen Gesetzeskraft 
nur in dieser Form verändert werden kann, wenngleich sich ihre ganze Be- 
deutung innerhalb des Verwaltungsapparates hält und erschöpft. 
IV. Das Verwaltungsrecht. Wenn es richtig ist, dass die Ver- 
waltung die Tätigkeit der Staatsregierung behufs Durchführung der 
Staatsaufgaben ist, so ergibt sich, dass besondere Rechtsvorschriften 
für die Verwaltung begrifflich nicht notwendig sind, dass man sich vielmehr 
denken kann, dass der Staat für diese Tätigkeit sich der allgemeinen, für 
alle Rechtssubjekte geltenden Rechtsordnung unterwirft und sich mit der- 
selben zufrieden gibt. In der Tat ist dies auch für wichtige und umfangreiche 
Gruppen von Verwaltungsgeschäften der Fall, wie z. B. für die Verwaltung 
von Domänen, Forsten, Bergwerken, Mineralquellen, Fabriken oder den Be- 
trieb von anderen industriellen oder kommerziellen Unternehmungen. Es ist 
ebenso gut denkbar und, wie die Geschichte lehrt, auch zu Zeiten so gewesen, 
dass der Betrieb der Postanstalt, die Verwaltung des Unterrichts und vieler 
Zweige der Wohlfahrtspflege unter den für alle geltenden Regeln des allge- 
meinen Rechts erfolgt. Besondere Verwaltungsgesetze sind daher begriff- 
lich die Ausnahme; als Regel ergibt sich für die Verwaltung die freie Tätig- 
keit innerhalb des Spielraumes, welchen die Gesetze gestatten. Tatsäch- 
lich aber kehrt sich das Verhältnis um, weil für die zweckmässige Erfüllung 
der dem Staate obliegenden Aufgaben die Aufstellung besonderer 
Rechtsregeln notwendig oder wenigstens nützlich ist. 
Diese besonderen Rechtsregeln zerfallen in zwei Kategorien von sehr 
verschiedenem Charakter. Der Staat verwendet nämlich behufs Realisierung 
seiner Aufgaben zum Teil sein Herrschaftsrecht über Land und Leute; er 
verlangt Leistungen, er befiehlt Handlungen, er beschränkt die Handlungs- 
freiheit der Untertanen durch Verbote; zum Teil dagegen verzichtet er auf die 
1) Die Bildung und Zusammensetzung der Gerichte ist nicht bloss eine innere 
Angelegenheit der Justizverwaltung, sondern der Einzelne hat einen im öffentlichen 
Recht begründeten Anspruch darauf, dass das Gericht, welches über ihn urteilt, in ge- 
wisser Weise gebildet und mit einer bestimmten Zahl von Mitgliedern besetzt wird, 
dass die letzteren in bestimmter Weise qualifiziert, lebenslänglich angestellt sind 
usw.
	        
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