154 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 18
entsprechende Geschäftstätigkeit der Behörden erst eine Verwaltungstradi-
tion und endlich Sätze des öffentlichen Rechts. Das vorhandene Recht ge-
nügt niemals vollständig sämtlichen Bedürfnissen der Gegenwart; es ist
immer nur das Resultat der Vergangenheit. Die Verwaltung muss den Be-
dürfnissen der Gegenwart abhelfen, und indem sie innerhalb der Schranken
der Rechtsordnung beginnt, führt sie allmählich eine Umgestaltung, Erwei-
terung und Fortbildung der Rechtsordnung herbei. Die Verwaltungstätig-
keit des Staates ist sonach zugleich Handhabung und Erzeugung des öffent-
lichen Rechts, und es findet eine fortwährende Wechselwirkung zwischen
Verwaltung und Rechtsbildung statt. Dadurch tritt der Anteil der Volks-
vertretung an der verwaltenden Tätigkeit des Staates erst in seiner
vollen Bedeutung hervor. Er besteht nicht nur darin, dass bei den parlamen-
tarischen Verhandlungen eine etwaige Verletzung der Gesetze durch die Ver-
waltungsbehörden oder eine irrige und unzweckmässige Vollziehung derselben
gerügt werden kann; er wird auch nicht dadurch erschöpft, dass durch Fest-
stellung des Staatshaushalts die finanziellen Mittel für die Verwaltungstätig-
keit der Behörden bewilligt werden; sondern er kommt vorzugsweise dadurch
zur Geltung, dass die Gesetzgebung eine Form der staatlichen Willenserklärung
ist, welche nicht bloss auf die Sanktion von Rechtssätzen, sondern auch auf
die Anordnung und Regelung der Verwaltungstätigkeit anwendbar ist.
$ 19. Die Formen der Verwaltungsakte. Die staatliche Geschäftsführung
vollzieht sich zum weitaus grössten Teil durch Handlungen faktischer Natur,
die ebensowenig ein juristisches Interesse und einen rechtlichen Inhalt haben,
wie die tatsächlichen Beschäftigungen und Arbeiten der Individuen. Sie
stehen dem Recht ganz fern und bilden daher auch kein Objekt des Staats-
rechts.
Wie jede Geschäftsführung bedarf aber auch die Staatsverwaltung der
Rechtsgeschäfte d. h. Handlungen, welche zu dem Zwecke vorgenommen
werden, um Rechtsverhältnisse hervorzubringen, fortzuführen, zu verändern
oder aufzuheben. Diese Rechtsgeschäfte sind ganz ebenso wie auf dem Ge-
biete des Privatrechts entweder zweiseitige d.h. Verträge, oder einsei-
tige d.h. Verfügungen.
1. Der Vertrag findet überall Anwendung, wo der Staat mit den ihm
zustehenden Herrschaftsrechten die ihm obliegenden Aufgaben nicht zu er-
füllen vermag. Der Vertrag kann mit einer anderen Regierung geschlossen
werden, also ein völkerrechtlicher sein; er kann ferner, wie die Anstellung
von Beamten, die Naturalisation von Untertanen usw., ein staatsrechtlicher
sein; er kann endlich einen vermögensrechtlichen Inhalt haben. Verträge der
letzteren Art müssen bei der Führung der Verwaltung in sehr grosser Zahl
unablässig geschlossen werden. Die Lieferung von Waren, die Leistung von
Arbeiten, die Herstellung von Werken, die Beschaffung von Geldmitteln
usw. kann der Gegenstand dieser Verträge sein; ebenso kann der Staat sei-
nerseits die Leistung von Arbeiten oder die Lieferung von Waren usw. über-
nehmen, z. B. in dem Betrieb der Postanstalt, der Staatseisenbahnen, der
Forsten usw. Das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis ist nach