156 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 19
papieren. Endlich ist nicht zu übersehen, dass der Inhalt einer Verfügung aus
verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein kann; insbesondere kann
eine Entscheidung mit den aus ihr sich ergebenden Geboten, Verboten, Ge-
währungen usw. kombiniert sein. Soweit der Staat Herrschaftsrechte über
Land und Leute hat, um durch Anwendung derselben seinen Aufgaben ge-
recht zu werden, ist der Befehl die Form, in welcher sich die Tätigkeit der
Verwaltungsbehörden vollzieht. Die staatsbürgerlichen Pflichten sind Ge-
horsamspflichten, sie entfalten in der Regel keine Wirksamkeit, wofern der
Staat nicht ihre Erfüllung fordert, d.h. befiehlt, und sie können dem-
nach völlig wirkungslos bleiben, wenn dieser Befehl tatsächlich nicht erlassen
wird. Die Gesetze normieren Voraussetzungen und Inhalt dieser Verpflich-
tungen nur abstrakt, in der logischen Form der Rechtsregel; um wirksam
zu werden, bedürfen sie der Anwendung auf den konkreten Fell. Der staats-
rechtlich erhebliche Inhalt der Verfügung ist der Befehl an den der Staats-
gewalt Untergebenen, etwas zu leisten, zu tun oder zu unterlassen. Die Ein-
ziehung der Steuern, Zölle und Gebühren, die Einberufung zur Ableistung
der militärischen Dienstpflicht oder des Gerichtsdienstes, die polizeiliche
Tätigkeit usw. bieten zahllosse Anwendungsfälle. |
Hiernach ergibt sich, dass der Inhalt der Verfügung rechtlich begründet
sein muss, d. h. die Befugnis des Staates, jemandem etwas zu befehlen oder
zu verbieten, von welcher die Verfügung Anwendung macht, muss durch
einen Rechtssatz anerkannt sein. Die dem Staatsbürger obliegende Gehor-
samspflicht ist im modernen Staate keine ungemessene, deren Umfang durch
das Belieben der Regierung bestimmt werden könnte. Jeder Verwaltungs-
befehl muss daher auf einem Gesetze beruhen, welches die Regierung mit der
Befugnis ausstattet, eine derartige Leistung, Handlung oder Unterlassung
von den Untertanen zu verlangen. Es gilt dies ausnahmslos und findet nicht
bloss auf die Einforderung von finanziellen oder militärischen Leistungen,
sondern in demselben Umfange auch auf alle polizeilichen Gebote und Ver-
bote Anwendung !). Die Frage, ob eine Verfügung einen Befehl enthält, zu
dessen Erlass die Regierung befugt ist oder nicht, ist enereineRechts-
frage und ist immer einzig und allein durch eine juristische Erwä-
gung, durch die logische Subsumierung der Verfügung unter das objektive
Recht, durch eine ‚‚Urteilsfindung‘‘ zu entscheiden gleichviel ob nach dem
positiven Recht eine Gerichtsbehörde oder eine Verwaltungsbehörde zur
Fällung dieses Urteils berufen ist. Der Rechtsgrund, auf dem die Verfügung
beruht, ist aber für den Inhalt derselben nicht allein und ausschliesslich ent-
scheidend. Der Staat soll von den ihm zustehenden Rechten keinen zweck-
losen und noch weniger einen unzweckmässigen Gebrauch machen; denn die
Ausübung der staatlichen Herrschaftsrechte geschieht nicht um ihrer selbst
willen, sondern nur zur Durchführung der staatlichen Aufgaben, also nur in
dem Masse und in der Art und Weise, wie es dieser Zweck erfordert. Die Ver-
1) And. Ans. G. Meyer, Staatsr. $ 178; er steht aber mit dieser Ansicht allein;
der im Text entwickelte Grundsatz ist in der Theorie und Praxis allgemein anerkannt.
Vgl. Anschütz in der 6. Aufl. des Staatsrechts v. Meyer $ 178 Note 3. Thoma
Polizeibefchl I S. 102 fg. Fleiner S. 158.