Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

158 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 19 
  
erteilten Befehle gehört zu der Dienstpflicht des Beamten und die 
Verletzung derselben ist ein Disziplinarvergehen. 
Der Befehl der vorgesetzten Behörde kann nun aber von zweierlei Art 
sein. Er kann sich auf einen einzelnen konkreten Fall beziehen, die Vornahme 
einer bestimmten Handlung, den Abschluss eines bestimmten Vertrages, 
den Erlass einer bestimmten Verfügung anordnen oder untersagen. Ein sol- 
cher Befehl wird ebenfalls als Verfügung bezeichnet; er unterscheidet 
sich von den soeben erörterten Verfügungen dadurch, dass seine verbindliche 
Kraft nicht auf den allgemeinen gesetzlichen Herrschaftsrechten des Staates, 
sondern auf der besonderen Amtsgewalt der vorgesetzten Behörde, 
und die Pflicht, ihn zu befolgen, nicht auf der staatsbürgerlichen Unter- 
tanenpflicht, sondern auf der amtlichen Dienstpflicht beruht. 
Der Befehl der vorgesetzten Behörde kann aber auch einen generellen 
Inhalt haben, das Verhalten der untergeordneten Behörden im allgemeinen 
oder für eine unbestimmte Anzahl von Fällen regeln oder denselben die Rich- 
tung vorzeichnen, welche sie bei ihrer Geschäftsführung inne zu halten haben. 
Ein solcher Befehl heisst eine Verwaltungs-Verordnung. Die 
Verw.-Verordnung ist ihrem Wesen nach nicht mit dem Gesetz, sondern mit 
der Verfügung verwandt; sie ist kein Ausführungsgesetz wie die Rechtsver- 
ordnung, sondern eine General-Verfügung; sie normiert nicht die 
Rechtsordnung, sondern die Tätigkeit und das Verhalten der Behörden. Die 
Verw.-Verordnung hat deshalb Rechtswirkungen nur innerhalb des eigenen 
Verwaltungs-Apparates, nicht gegen Dritte; mittelbar freilich kann sie von 
der erheblichsten Tragweite für alle Untertanen werden; unmittelbar aber 
verpflichtet die Verwaltungsverordnung nicht die Staatsbürger, sondern nur 
die Staatsbehörden und Beamten; sie ist eine res interna der Verwaltung. 
Der Bereich der Verw.-Verordnung ist demnach derselbe wie der Bereich der 
freien Verwaltungstätigkeit überhaupt. Die Befugnis, Verw.-Verordnungen 
zu erlassen, steht nicht bloss dem Monarchen als dem Chef der Verwaltung, 
sondern in vielfachen Abstufungen den Behörden zu; die von der höheren In- 
stanz erlassene Verordnung bindet alle unteren Instanzen, schliesst aber 
nicht die Befugnis derselben aus, hinsichtlich aller, in der höheren Verord- 
nung nicht geregelten Punkte, ihrerseits wieder Verordnungen zu erlassen für 
die ihnen unterstellten Acmter. Die Verw.-Verordnung bedarf keiner Ver- 
kündigung, sondern der Behändigung, d. h. sie muss denjenigen Behörden, 
denen sie Vorschriften gibt, mitgeteilt werden. Die Mitteilung erfolgt gewöhn- 
lich schriftlich ; die schriftliche Zufertigung kann aber ersetzt werden durch den 
Druck in den Amtsblättern, welche die Behörden zu halten verpflichtet sind. 
4. Die Kontrolle der Verwaltung. Bei jeder ausgedehn- 
ten und an viele Geschäftsführer verteilten Verwaltung sind zur Erhaltung 
der Einheit und Ordnung nicht bloss leitende Organe erforderlich, wel- 
che de ausführenden instruieren und ihnen ihre Tätigkeit vorschrei- 
ben, sondern es ist auch eine stetige und wirksame Beaufsichtigung: 
erforderlich. Hieraus ergibt sich eine dritte Art von Verwaltungsgeschäften, 
die ebensowohl von der unmittelbaren Geschäftsführung, wie von der Ertei-
	        
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