Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

160 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Reiches. $ 20 
  
allgemeinen Zielpunkten der Politik, welche der Staat verfolgt. Daraus ergibt 
sich eine dreifache Kontrolle der Verwaltung: die Fin an z kontrolle, welche 
die staatswirtschaftliche Seite der Verwaltungsgeschäftsführung betrifft und 
durch die Ober-Rechnungsbehörde geführt wird; die Rechts kontrolle, 
welche sich auf die Rechtmässigkeit der von der Verwaltung vorgenomme- 
nen Rechtsakte erstreckt und durch die Gerichte (ordentliche oder besondere 
Verwaltungsgerichte) gehandhabt wird, aber die Erhebung eines Rechts- 
streites voraussetzt; endlich die politische Kontrolle, welche darauf 
gerichtet ist, dass die Verwaltungsbehörden nicht eine dem allgemeinen 
Wohle des Staates schädliche oder gefährliche Tätigkeit entfalten, und durch 
die parlamentarische Ministerverantwortlichkeit verwirklicht wird. 
$ 20. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung !). Für das Verhältnis von 
Reichs- und Staatsverwaltung ist der Unterschied zwischen unmittelbarer 
Geschäftsführung und beaufsichtigender Verwaltung entscheidend. Die Ge- 
samtmasse der zur Erreichung der staatlichen Aufgaben erforderlichen Ge- 
schäftstätigkeit zerfällt dadurch in drei grosse Teile, deren Scheidung für das 
Verhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten massgebend ist. Der eine Teil 
wird von denjenigen Zweigen der Verwaltungstätigkeit gebildet, welche den 
Einzelstaaten vollständig überlassen sind, so dass ihnen Geschäftsführung 
und Beaufsichtigung zusteht. Die zweite Gruppe umfasst diejenigen Ver- 
waltungsgebiete, welche unter Einzelstaat und Reich verteilt sind, so dass 
den Einzelstaaten die unmittelbare Geschäftsführung (Selbstverwaltung), 
dem Reich die Regelung und Beaufsichtigung zugewiesen ist. Die dritte 
Masse endlich besteht aus denjenigen Ressorts, welche das Reich vollständig 
verwaltet, so dass ihm nicht nur die Kontrolle, sondern auch die unmittelbare 
Geschäftsführung obliegt. 
Soweit bei Errichtung des deutschen Bundesstaates die Kompetenz des 
letzteren zur Gesetzgebung festgestellt wurde, musste auch die Verwaltungs- 
tätigkeit der Einzelstaaten der Aufsicht der Zentralgewalt unterworfen 
werden. Es war dies nicht nur deshalb erforderlich, damit die Regierungen 
der Einzelstaaten zur Beobachtung der reichsgesetzlichen Vorschriften ange- 
halten werden, sondern auch deshalb, damit die Gesetzgebung des Reiches 
auf die bei der Verwaltungstätigkeit der Einzelstaaten hervortretenden Be- 
dürfnisse und Mängel, auf die dabei gesammelten Erfahrungen und entstan- 
denen Gebräuche Rücksicht nehmen könne. Die Geschäftsführunng selbst 
aber ist den Einzelstaaten verblieben ; dem politischen Bedürfnis war genügt, 
wenn die Verwaltung nur nach gleichen Regeln und nach übereinstimmenden 
Zielen geführt wurde. Nur einige Verwaltungszweige sind speziell ausgenom- 
men; bei ihnen ist dem Reiche auch die Geschäftsführung zugewiesen worden. 
Soweit dagegen die gesetzliche Regelung gewisser Angelegenheiten der Auto- 
nomie der Einzelstaaten überlassen blieb, war auch keine politische oder staats- 
rechtliche Notwendigkeit vorhanden, ihre Verwaltungstätigkeit der Ueber- 
wachung oder Leitung seitens des Reiches zu unterwerfen. 
Die Reichsverf. hat im Eingange des Art. 4 diese Grundsätze anerkannt: 
ı) Anschütz, Enzyklop. 8. 6ilff. Dambitsch $S. 337 ff.
	        
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