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& 21 Die Staatsverträge. II. Die staatsrechtliche Gültigkeit. 171
erforderlich sind, so finden die Grundsätze über Verordnungen analoge
Anwendung. Demgemäss können Rechtsvorschriften im Verord-
nungswege nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung, die in der Genehmi-
gung des Staatsvertrages durch Bundesrat und Reichstag enthalten sein kann,
erlassen werden; Verwaltungsvorschriften dagegen sind vom
Bundesrat oder, wenn sie die unmittelbare Reichsverwaltung betreffen, nach
Massgabe der Spezialgesetze von den Verwaltungschefs zu erlassen. Hervor-
zuheben ist nur, dass auch die Ausführungsbestimmungen durch völker-
rechtlichen Vertrag vereinbart werden können, welcher der Geneh-
migung des Reichstags nicht bedarf, wenn er nur Verwaltungsmassregeln oder
Detailvorschriften innerhalb der durch den genehmigten Staatsvertrag sank-
tionierten Grundsätze betrifft.
5. Die Ausserkraftsetzung der Staatsverträge bestimmt sich in der Regel
nach den rein staatsrechtlichen Regeln von der formellen Gesetzeskraft; sie
kann aber ausnahmsweise auch eintreten, ohne dass hierzu der Weg der Ge-
setzgebung beschritten zu werden braucht. Hierbei kann von dem häufigen
Falle, dass im Staatsvertrage selbst eine bestimmte Dauer seiner Geltung
vereinbart oder die Verlängerung der Gültigkeitsdauer oder die Kündigung
vorbehalten ist, abgesehen werden; denn die Genehmigung des Vertrages mit
einer solchen Klausel enthält zugleich die entsprechende Ermächtigung der
Regierung. Abgesehen von diesen Fällen kann aber der Staatsvertrag aus
völkerrechtlichen Gründen ausser Kraft gesetzt werden, insbeson-
dere wegen Nichterfüllung desselben von seiten des anderen Kontrahenten
oder als Repressalie oder wegen Einspruchs einer dritten Macht usw. Die
Ergreifung solcher Massregeln gehört zur völkerrechtlichen Vertretung des
Staates, steht also im Deutschen Reiche dem Kaiser zu !).
Wenn nicht der Staatsvertrag als solcher mit Gesetzeskraft ausgestattet,
sondern in Veranlassung desselben ein selbständiges, vom Vertrage formell
unabhängiges Reichsgesetz erlassen worden ist, so gelten hinsichtlich des In-
krafttretens und der Aufhebung desselben die gewöhnlichen, von Reichs-
gesetzen überhaupt geltenden Regeln ?).
hilfe könnte nur das Reichsgericht schaffen. Das Reichsgericht hat jedoch in
einer Entscheidung vom 24. Januar 1898 (abgedruckt in der Beilage zum Reichsanzeiger
1898 S. 125 ff.) den unterschriftlosen Abdruck des Vertrages als eine rechtswirksan.e
Verkündigung angesehen, „weil es nach der bekannten Einrichtung des die Herstellung
und die Ausgabe des Reichsgesetzblattes betreffenden Verfahrens nicht zweifelhaft sei,
dass die Bemerkung hinsichtlich der Ratifikation mit Billigung der obersten Reichs-
behörde erfolgt sei, ihre Richtigkeit also von dieser anerkannt wurde“. Mit dieser
Erwägung könnte man auch den Abdruck eines Staatsvertrages im Reichsanzeiger
oder im Zentralblatt für eine genügende Verkündigung erachten und bei der Verkün-
digung von anderen Reichsgesetzen ebenfalls die Unterschrift des Kaisers und die Gegen-
zeichnung des Reichskanzlers für entbehrlich erklären. Vgl. darüber das Staatsr. d.
D. R. (5. Aufl.) II S. 164 Anm. 2.
1) Vgl. Jellinek, Gesetz u. Verordnung 8. 362 fg. Seligmann 9. 216 ff.
Tezner 8.155. Störk im Archiv für öffentl. R. Bd. IX S. 23 ff.
2) Ein Beispiel aus neuester Zeit ist das Ges. v. 26. Febr. 1906, betreffend die
Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten v. Amerika (RGBl. 8. 355). Vgl. auch
das RG. v. 5. April 1909 zur Ausführung des internationalen Abkommens über den
Zivilprozess v. 17. Juli 1905 (RGBl. 1909) S. 430.