Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

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Bundesglied und Reichsland. 137 
  
  
  
wurde dem Oberpräsidenten auf seinen Antrag die Ermächtigung erteilt, 
einen aus Mitgliedern der Bezirkstage gebildeten Landesausschuss 
um sich zu versammeln, welchem Entwürfe von Landesgesetzen zur gutach t- 
lichen Beratung vorgelegt werden konnten. Durch das RG. v. 2. Mai 
1877 (RGBl. S. 491) wurde aber die staatsrechtliche Stellung des Landes- 
ausschusses umgestaltet; er wurde aus einer begutachtenden Notablen- 
versammlung zu einer Volksvertretung gemacht. Nach $ 1 des Gesetzes 
konnten Landesgesetze, einschliesslich des Etats, vom Kaiser mit Zustimmung 
des Bundesrats erlassen werden, nachdem der Landesausschuss denselben 
zugestimmt hat. Die Zustimmung des Reichstags wurde ersetzt durch die 
des Landesausschusses; eine Volksvertretung des Reichslands trat an die 
Stelle der Volksvertretung des Reichs. Die Identität von Reichs- und Landes- 
gesetzgebung hörte auf. Durch $ 2 des erwähnten Gesetzes wurde aber die 
Erlassung von Landesgesetzen im Wege der Reichsgesetzgebung vorbehalten 
und bestimmt, dass die auf Grund dieses Vorbehaltes erlassenen Landes- 
gesetze nur im Wege der Reichsgesetzgebung aufgehoben oder geändert 
werden können. 
III. Das Reichsgesetz vom 4. Juli 1879 (RGBl. S. 165) 
brachte eine weitere Entwicklung der Verfassung des Reichslands. Das 
Verhältnis des Oberpräsidenten zum Reichskanzler musste zu Unzuträglich- 
keiten führen. Der Oberpräsident hatte tatsächlich die Funktionen eines 
obersten Verwaltungschefs oder Ministers zu versehen, hatte aber nicht 
die rechtliche Stellung eines solchen; der Reichskanzler hatte sich von der 
Führung der Verwaltungsgeschäfte entlastet, aber die oberste Leitung sich 
vorbehalten; es bestanden gleichsam zwei Ministerien übereinander. Dazu 
kam, dass durch die Auflösung des Reichskanzleramts in selbständige oberste 
Reichsbehörden zwischen dem ÖOberpräsidenten und dem Reichskanzler als 
verantwortliche Stellvertreter desselben die Chefs des Reichskanzleramts für 
Elsass-Lothringen und des Reichsjustizamts standen. Die hieraus sich er- 
gebenden Schwierigkeiten drängten zu einer Reform. Da man den Landes- 
ausschuss nicht wieder aufheben konnte und wollte und es untunlich war, 
dass der Landesausschuss in Strassburg tagte, dagegen die oberste Regierungs- 
behörde in Berlin ihren Sitz hatte, so blieb keine andere Wahl, als die Ver- 
legung der obersten Regierungsbehörde nach Strassburg. Demgemäss traf 
das RG. vom 4. Juli 1879 folgende Bestimmungen: 
1. Das Reichskanzleramt für Elsass-Lothringen und das Oberpräsidium 
wurden aufgelöst und unter dem Namen Ministerium für Elsass- 
Lothringen wurde eine Behörde in Strassburg errichtet, welche sowohl 
die vom Reichskanzleramt und dem Reichsjustizamt als auch die von dem 
Oberpräsidenten bisher geübten Obliegenheiten wahrzunehmen hat. An der 
Spitze dieser Behörde steht ein Staatssekretär. Es musste aber auch die 
Unterordnung des Ministeriums unter den Reichskanzler aufgehoben wer- 
den, da sonst notwendig die Uebelstände, welche man beseitigen wollte, 
sich von neuem eingestellt hätten. Es wurde daher ein Statthalter 
in Strassburg eingesetzt, auf welchen die dem Reichskanzler in els.-lothr.
	        
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