Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 25 Die deutschen Schutzgebiete. 203 
  
  
walt des Reichs gegenüber ohne grosse Bedeutung, namentlich seitdem das 
„Königtum‘‘ aufgehoben worden ist. 
III. DasSchutzgebiet. Hinsichtlich der Frage, ob dasselbe 
in Ansehung des Reiches Inland oder Ausland ist }), muss man folgende Unter- 
scheidung machen: 
1. Da die Schutzgewalt die souveräne Staatsgewalt ist, so ergibt sich 
mit Notwendigkeit, dass das Reich in den Schutzgebieten die Gebietshoheit 
hat. Sie bilden den räumlichen Machtbereich, in welchem sich die Schutz- 
gewalt entfaltet, und sie werden dadurch zu einem Objekt, welches das 
Reich beherrscht; sie gehören dem Reich. Dies zeigt sich in voller Wirkung 
invölkerrechtlicher Beziehung. Jede Einwirkung anderer Staaten 
auf die Schutzgebiete ist ausgeschlossen; jeder Angriff auf dieselben ist ein 
Angriff auf das Reich. Die Schutzgebiete sind ebensowenig wie das Reichs- 
land Subjekte des völkerrechtlichen Verkehrs. Daraus folgt aber nicht, 
dass alle völkerrechtlichen Verhältnisse des Reichs auch die Schutzgebiete 
umfassen, namentlich alle vom Reich abgeschlossenen Staatsverträge auch für 
die Schutzgebiete Geltung haben. Aber auch in staatsrechtlicher 
Beziehung erstreckt sich die Gebietshoheit des Reichs soweit, als dies zur Hand- 
habung der Schutzgewalt erforderlich ist. 
2. Dagegen sind die Schutzgebiete dem Reich nicht inkorporiert; sie 
sind nicht Bestandteile, sondern Pertinenzen des Reichsgebiets; die organische 
Verbindung zu einem politischen Gemeinwesen, welche durch das Reich ver- 
wirklicht wird, ergreift sie nicht mit. Sie sind daher im Sinne der Reichsver- 
fassung und der Reichsgesetze Ausland. Wenn man freilich unter ‚„Aus- 
land‘ diejenigen Gebiete versteht, welche einer fremden Staatsgewalt unter- 
worfen oder staatlos sind, so ist es selbstverständlich, dass die Schutzgebiete 
kein Ausland sind; denn sie sind der Staatsgewalt des Reichs unterworfen; 
allein daraus folgt weiter nichts als was bereits in die Begriffsbestimmung 
des Wortes ‚Ausland‘ hineingelegt ist. Von praktischer Wichtigkeit ist viel- 
mehr nur der Rechtssatz, dass die Schutzgebiete nicht zu dem Geltungs- 
bereich der Reichsgesetze gehören. Es ist dadurch keineswegs ausgeschlossen, 
dass Reichsgesetze oder andere Willensakte des Reiches in den Schutzgebieten 
Rechtswirkungen haben. Denn teils gibt es Reichsgesetze, deren Wirksam- 
keit überhaupt nicht territorial (auf das Reichsgebiet) beschränkt ist; teils 
ist das Reich kraft seiner Schutzgewalt berechtigt, Gesetze zu erlassen, die 
auch in den Schutzgebieten oder nur in den Schutzgebieten gelten sollen. 
Aber die Bestimmungen der Reichsgesetze, welche den Eintritt einer recht- 
lichen Wirkung an die Voraussetzung eines im Reichsgebiete realisierten 
Tatbestandes knüpfen, finden in den Schutzgebieten keine Anwendung ?). 
Dies gilt von der weit überwiegenden Mehrzahl aller staatlichen Anordnungen 
und ist die aus der Territorialität der Staatsgewalt von selbst sich ergebende 
Regel. Es gilt dies nicht nur von Gesetzen, sondern auch von Staatsverträgen, 
insbesondere den Handelsverträgen und Auslieferungsverträgen, welche 
1) Fr. Sabersky, Der Inlands- und Auslandsbegriff der Reichsgesetze. 1907. 
2) Eingehende Erörterungen hierüber siehe bei Meyer 98. 88ff. und besonders 
Fr. Sabersky, & & 0.
	        
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