Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

204 Sechster Abschnitt: Das Reichsland und die Schutzgebiete. $ 25 
  
  
  
in einem Schutzgebiet nur gelten, wenn dies besonders festgestellt, oder der 
Vertrag für ein bestimmtes Schutzgebiet geschlossen ist. Hinsichtlich des 
Warenverkehrs sind die Schutzgebiete ebenfalls Zollausland ; nach dem Zoll- 
tarifgesetz vom 25. Dez. 1902 $ 1a. E. (RGBl. S. 303) ist aber der Bundesrat 
ermächtigt, die vertragsmässigen Rechte auf sie anzuwenden, also ihnen 
die Meistbegünstigung zu gewähren !). Während die Reichsgesetze grund- 
sätzlich im ganzen Reichsgebiet gelten und die wenigen Ausnahmen hiervon 
besonders erklärt werden müssen, erlangen sie in den Schutzgebieten nur 
(reltung, wenn sie dort ausdrücklich in Kraft gesetzt sind; man kann daher 
wohl nicht die Formel, dass die deutschen Schutzgebiete staatsrechtlich 
Ausland sind, für „grundsätzlich irrtümlich‘ bezeichnen. Nur darf man darin 
kein starres Prinzip finden, welches keine Ausnahme duldet 2). 
Hinsichtlich des Verlustes der Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen 
ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande und hinsichtlich des Verbotes 
der Doppelbesteuerung ‚‚gelten‘ die Schutzgebiete kraft ausdrücklicher gesetzl. 
Anordnung als Inland ?). Auch im Sinne der Seemannsordnung „gelten“ 
die Schutzgebiete als Inland, die Häfen der Schutzgebiete aber nicht als 
deutsche Häfen ?). Nach der RVO. ‚‚gilt‘‘ der Aufenthalt in den deutschen 
Schutzgebieten als Aufenthalt im Inland ®). 
3. Das Reichsgesetz vom 16. Jwi 1912 (RGBl. S. 443) bestimmt: „Zum 
Erwerb und zur Abtretung eines Schutzgebietes oder von Teilen eines solchen 
bedarf es eines Reichsgesetzes. Diese Vorschrift findet auf Grenzberichtigun- 
gen keine Anwendung“ ®). 
IV. Die Angehörigen der Schutzgebiete zerfallen in 
drei Klassen ?): 
1. Reichsangehörige, d. s. diejenigen Personen, welchen nach 
Massgabe des Reichsges. vom 1. Juli 1870 die Staatsangehörigkeit in einem 
deutschen Bundesstaate oder die Landesangehörigkeit in Els.-Lothr. zusteht. 
Es kann jedoch Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, 
sowie Eingeborenen durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem 
Reichskanzler oder von einem von ihm ermächtigten kaiserl. Beamten ver- 
liehen werden. Vgl. oben 8. 43. Die Reichsangehörigen haben in den Schutz- 
gebieten alle diejenigen Pflichten und Rechte gegen ihren Heimatsstaat 
und gegen das Reich, welche Reichsangehörige ‚im Auslande‘“ überhaupt 
1) Vgl. Köbner S. 1090 fg. 
2) Inwieweit in der Sphäre des Privatrechts, Strafrechts und Prozessrechts die 
Schutzgebiete als Ausland oder Inland zu behandeln sind, vgl. Köbner 8. 1092 fg. 
und die in das Einzelne gehenden Erörterungen von Saberskya.a O. Das in den 
Schutzgebieten geltende Konsulargerichtsbarkeitsgesetz $ 26 ermächtigt den Kaiser 
durch Verordnungen zu bestinm:en, inwieweit sie im Sinne der in den Schutzgebieten 
eingeführten deutschen Gesetze „als deutsches Gebiet oder Inland‘ oder als Ausland 
anzusehen sind. Eine solche Verordnung ist aber bisher nicht erlassen worden. 
3) Reichsges. v. 10. Septemb. 1900 $ 9 Abs. 3. 
4) Seemannsordn. v. 2. Juni 1902 $ 6 Abs. 1 u. 2. 
5) RVO. $8 557, 596, 615, 1116, 1254, 1268, 1315. Versicherungsges. für Ange- 
stellte $8 24, 78. 
6) Dieses Gesetz ist ergangen auf Beschluss des Reichstages in Veranlassung des 
Gebietsaustausches zwischen Kamerun und Französ. Kongo. 
7)Hauschild, Die Staatsangehörigkeit in den Kolonien. Tüb. 1906.
	        
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