$ 25 Die deutschen Schutzgebiete. 203
haben. Sie unterliegen ausserdem der Gerichtsbarkeit und der mit der Ver-
waltung verbundenen Amtsgewalt der Behörden des Schutzgebietes, in
welchem sie sich aufhalten. Art. 3 der RV. und $ 4 des Reichswahlges. finden
auf die in den Schutzgebieten naturalisierten Reichsangehörigen entsprechende
Anwendung (Schutzgebietsges. $ 9 Abs. 2) ).
2. Die Angehörigen anderer zivilisierter Staaten.
Sie stehen hinsichtlich des Rechtsschutzes und der Geltung der privatrecht-
lichen, prozessrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften den Reichsangehöri-
gen gleich. Es ergibt sich dies aus dem territorialen Charakter der
Schutzgewalt, und ist durch positive Rechtsvorschrift anerkannt. Denn das
Gesetz vom 10. Sept. 1900 $$ 2, 3, 7 hat der Schutzgebietsgerichtsbarkeit und
der Geltung der deutschen Gesetze in den Schutzgebieten einen unbeschränkt
territorialen Charakter beigelegt und nur für die Eingeborenen eine
Ausnahme zugelassen.
3. Die Eingeborenen. Dieselben sind zwar dem Reiche untertan
und der Herrschaft des Reiches unterworfen, das Reich kann daher Gesetze
und Verordnungen für sie erlassen, eine Gerichtsbarkeit über sie ausüben
u. dgl., vertragsmässig ist aber die Ausübung von Hoheitsrechten über die
Eingeborenen in den oben angeführten Schutzgebieten den einheimischen
Häuptlingen vorbehalten worden ?). Der Schutzgerichtsbarkeit des Reiches
unterliegen sie nur insoweit, als sie ihr besonders unterstellt werden.
Das Schutzgebietsgesetz vom 10. Sept. 1900 $ 4 schreibt vor, dass durch
eine kaiserl. Verordnung bestimmt wird, inwieweit die Eingeborenen der
Schutzgebietsgerichtsbarkeit unterliegen, und welche Teile der Bevölkerung
den Eingeborenen gleichgestellt werden ?). Die gleichen Vorschriften enthält
$ 1 Abs. 3 dieses Gesetzes hinsichtlich der Geltung des Gesetzes über die
Eheschliessung und die Beurkundung des Personenstandes. Durch die kai-
serl. Verordnung vom 9. Nov. 1900 $ 2 ist bestimmt worden, dass den Ein-
geborenen die Angehörigen fremder farbiger Stämme gleichgestellt werden,
dass jedoch Japaner nicht als Angehörige farbiger Stämme gelten. Infolge
dessen ist die Unterscheidung von einheimischen und fremden Eingeborenen
ohne grosse praktische Bedeutung; Eingeborene sind alle Farbigen, welche
sich im Schutzgebiete dauernd aufhalten. Reichsangehörig sind die
Eingeborenen nicht; sie sind im Sinne der Reichsgesetze Ausländer;
sie können aber durch kaiserl. Verordn. hinsichtlich des Rechts zur Führung
der Reichsflagge den Reichsangehörigen gleichgestellt werden, ohne dass dies
jedoch die gesetzlichen Vorschriften über die Unfallversicherung der Seeleute
zur Folge hat. Ges. v. 10. Sept. 1900 $ 10.
V. Die Ausübung der Schutzgewalt. Da die Reichs-
verfassung in den Schutzgebieten nicht gilt, so hat man die Frage aufge-
1) Vgl. darüber mein Staatsr. des D. R. (5. Aufl.) II S. 288.
2) Die im Schutzgebiet von Kiautschou wohnenden Chinesen sind nach dem Ver-
trage v. 6. März 1898 Art. V Abs. 3 Untertanen Chinas geblieben, also keine Unter-
tanen des Deutschen Reichs.
3) Durch Verordn. v. 24. Okt. 1903 ist bestimmt worden, dass im ostafrikanischen
Schutzgebiet Nicht-Eingeborenen, die sich im Schutzgebiet niedergelassen haben, durch
den Gouverneur die Landesangehörigkeit verliehen werden kann. Köbner 8. 1098.