g 25 Die deutschen Schutzgebiete. 211
werden; in zweiter Instanz entscheidet der Oberrichter; für die Strafgerichts-
barkeit gelten die Vorschriften der V. v. 22. April 1896. In Neuguinea
sind die Gerichte besetzt mit einem vom Gouverneur ernannten Gerichts-
vorsteher und einem Gerichtsschreiber; bei Prozessen wegen schwerer Ver-
brechen haben zwei Beisitzer mitzuwirken; eine Beteiligung von Eingeborenen
findet nicht statt. In dem Schutzgebiet dr Südseeinseln bestehen
nicht gleichmässige Organisationen; die Strafgerichtsbarkeit ist durch V. v.
10. März 1890 ebenso wie in Neuguinea geordnet worden; Zivilstreitigkeiten
werden von Häuptlingen oder Gemeindegerichten entschieden. Für Samoa
vgl. die Verordn. des Gouverneurs v..1. März 1900 und hinsichtlich der
Gerichtsbarkeit über die Chinesen in Kiautschou die Verordn. vom
15. April 1899 (Marineverordn.Bl. Nr. 25 Anhang).
IX. Die Militärverfassungt!). Für die Schutzgebiete von
Ostafrika, Südwestafrika und Kamerun sind Schutztruppen errichtet
worden ?), deren Rechtsverhältnisse durch das Schutztruppengesetz vom
18. Juli 1896 (RGBl. S. 653) geregelt worden sind. Gleichzeitig mit diesem
Gesetz traten die Militärstrafgesetze in den afrikanischen Schutzgebieten in
Kraft ®). Die Schutztruppen sind keine Teile des Reichsheeres, sondern eine
vom Reichsheer verschiedene bewaffnete Macht des Reichs. Die Reichsmili-
tärgesetze finden daher auf die Schutztruppen nur insoweit Anwendung,
als sie für dieselben besonders in Kraft gesetzt worden sind oder nach ihrem
Inhalt auch für die Schutztiuppen oder Angehörige gelten sollen. Oberster
Kriegsherr der Schutztruppen ist der Kaiser; sie sind dem Staatssekretär
des Kolonialamts unterstellt, welcher das Oberkommando führt. Im Schutz-
gebiete steht dem Gouverneur die oberste militärische Gewalt zu; er kann die
Schutztruppe nach eigenem Ermessen zu militärischen Unternehmungen
verwenden. An der Spitze der einzelnen Schutztruppe steht der Kommandeur,
welcher für die Leistungsfähigkeit, Disziplin und Ausbildung der Truppe ver-
antwortlich ist ®).
In der Schutztruppe für Südwestafrika können Reichsangehörige ihre
Wehrpflicht erfüllen 5); auch können die in den Schutzgebieten sich dauernd
aufhaltenden Personen des Beurlaubtenstandes in Fällen von Gefahr durch
kaiserl. V. zur Verstärkung der Schutztruppen herangezogen werden ®).
1) Sassen, Deutsches Kolonial-Militärrecht. Rastatt 1911.
2) Die Schutztruppe von Ostafrika ist durch das Reichsges. v. 22. März 1891
(Reichsgesetzbl. S. 53), die von Südwestafrika und Kamerun durch d. Reichsges. v.
9. Juni 1895 (Reichsgesetzbl. S. 258) errichtet worden.
3) Das strafgerichtl. Verfahren gegen Militärpersonen der Schutztruppen ist jetzt
geregelt durch die kaiserl. V. v. 2. Nov. 1809 (RGBl. 8. 943). Ueber die militär. Straf-
rechtspflege in Kiautschou siehe das RG. v. 25. Juni 1900 (RGBl. S. 304} und RG.
v. 16. Dez. 1911 (RGBl. 8. 974); über Offizierspensionen und Mannschaftsversorgung
die beiden RGe. v. 31. Mai 1906 (RGBl. S. 565 u. 593); über die Hinterbliebenen-Für-
sorge das RG. v. 17. Mai 1907 (RGBl. S. 214).
4) Der Reichskanzler hat am 25. Juli 1898 ‚Organisatorische Bestimmungen für
die Schutztruppen in Afrika‘ erlassen, welche die jetzt geltenden Bestimmungen zu-
sammenfassen. Die strafrechtlichen und Disziplinarverhältnisse der farbigen An-
gehörigen der ostafrikanischen Schutztruppe sind geregelt durch die V. des Reichskanz-
lers v. 7. Sept. 1910 (Kolonialbl. S. 787).
5) Schutztruppenges. $ 18. Abänderung desselben durch RG. v. 25. Juni 1902
(RGBl. 8. 237). Kaiserl. V. v. 5. Dez. 1902 (RGBil. 8. 297).
6) Daselbst $ 19.
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