Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

212 Sechster Abschnitt: Das Reichsland und die Schutzgebiete. 8 25 
  
Die Polizeitruppen, welche in Togo und einigen Inseln der 
Südsee gebildet worden sind, unterscheiden sich von den Schutztruppen 
dadurch, dass sie von den Gouverneuren angeworben, von ihnen auf die 
einzelnen Bezirke verteilt und den Behörden der Zi vil verwaltung unter- 
stellt sind. | 
In Kiautschou ist eine Besatzung, welche einen Bestandteil der 
Kaiserlichen Marine bildet). 
X. Ueber das Finanzwesen der Schutzgebiete gelten folgende 
Rechtssätze: 
1. Da der Kaiser die Schutzgewalt ohne Mitwirkung von Bundesrat 
und Reichstag ausübt, so ist er befugt, einerseits Zoll- und Steuerverord- 
nungen zu erlassen, Gebühren festzusetzen und andere Einnahmequellen 
zu eröffnen, andererseits alle Ausgaben für die Verwaltung, Landesmeliora- 
tionen usw. zu bestimmen, soweit nicht durch Reichsgesetze Anordnungen 
getroffen sind, welche die Finanzen der Schutzgebiete berühren. Eine Schranke 
findet diese Befugnis jedoch teils in dem Recht des Bundesrats und des Reichs- 
tages zur Mitwirkung an der Feststellung des Etats der Schutzgebiete, teils 
in Südwestafrika, Kamerun und Togo an den den Häuptlingen zugesicherten 
Rechten zur Forterhebung gewisser Einkünfte. Auch ist in der Kongoakte 
Art. 14—16 in dem konventionellen Kongobecken der Ausschluss von Durch- 
gangszöllen und Schutzzöllen vereinbart,was für einen Teil des ostafrikanischen 
Schutzgebietes in Betracht kommt ?). 
2. Jedes Schutzgebiet hat seine besondere Finanzwirtschaft, die sowohl 
von der der anderen Schutzgebiete als von der Finanzwirtschaft des Reiches 
getrennt ist. Nur die Oberleitung und Zentralverwaltung, welche von dem 
Kolonialamt geführt wird, erfolgt auf Kosten des Reiches nach Massgabe 
des Reichsetats. Im Gegensatz hierzu stehen die Einnahmen und 
Ausgaben der lokalen Verwaltung der einzelnen Schutzgebiete. Das 
staatsrechtliche Verhältnis derselben zur Finanzwirtschaft des Reiches ist 
durch das Reichsges..vom 30. März 1892 (RGBl. S. 369) geregelt 
worden. Diesem Gesetz zufolge wird alljährlich ein besonderer Etat der 
Schutzgebiete im Wege des Reichsgesetzes festgestellt ?).. In betreff der 
Feststellung, Ueberschreitung, Rechnungslegung, Entlastung finden die 
vom Reichsetat geltenden Grundsätze auch auf den Etat der Schutzgebiete 
Anwendung. Anleihen oder Garantieübernahmen zur Befriedigung ausser- 
ordentlicher Bedürfnisse eines Schutzgebietes erfolgen im Wege der Reichs- 
gesetzgebung. Ausserdem ist im $ 5 dieses Gesetzes der wichtige Grundsatz 
1) Die gegenwärtig geltenden Vorschriften sind zusammengestellt in den „Organi- 
satorischen Bestimmungen‘ v. 3. Mai 1902. 
2) Die Kongoakte ist ergänzt und abgeändert durch die Brüsseler Deklaration 
v. 2. Juli 1890 Abs. 2 (RGBl. 1892 S. 858) und die Konvention v. 8. Juni 1899 (RGBi. 
1900 S. 823) über die Einfuhr von Spirituosen. 
3) Das Gesetz findet keine Anwendung auf Schutzgebiete, deren Verwaltungs- 
kosten ausschliesslich von einer Kolonialgesellschaft zu bestreiten sind. (Ges. $7 Abs. 1.) 
Ein solches Schutzgebiet ist jetzt nur noch das der Marschall-Inseln, für wel- 
ches die Jaluitgesellschaft zu Hamburg durch den Vertrag vom 21. Januar 1888 
sich zur Tragung der gesamten Kosten der Verwaltung und Rechtspflege verpflich- 
tet hat.
	        
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