214 Sechster Abschnitt: Das Reichsland und die Schutzgebiete. $ 253
Rechtssätze über das Dienstverhältnis der Kolonialbeamten in dem Kolo-
nialbeamtengesetz v. 8. Juni 1910 kodifiziert und die Dienstein-
konnen der Schutzgebietsbeamten sind durch Besoldungsordnungen festge-
setzt worden !).
2. Infolge der gesetzlichen Kodifikation des Kolonialbeamtenrechts kann
der Kaiser durch Verordnungen das Dienstverhältnis dieser Beamten nicht
mehr regeln, soweit nicht das Gesetz selbst ihn dazu ermächtigt; das gleiche
gilt von dem Verordnungsrecht des Reichskanzlers und der Gouverneure.
Aus der besonderen Regelung des Rechts der Kolonialbeamten folgt
ferner, dass Gesetze und Verordnungen, welche das Reichsbeamtenrecht
betreffen, auf die Kolonialbesmten nur Anwendung finden, wenn ihre Geltung
ausdrücklich auf sie erstreckt wird. Ausgenommen sind jedoch das Reichs-
beamtengesetz selbst und das Beamtenhinterbliebenengesetz; Abänderungen
dieser beiden Gesetze finden ohne weiteres auch auf die Kolonialbeamten
Anwendung (Ges. $ 1). Endlich ist für den Schutzgebietsetat eine gesetzliche
Grundlage hinsichtlich der Besoldung und anderen Diensteinkünfte gegeben.
3. Hinsichtlich der im Reichsbeamtenges. dem Bundesrat vorbehaltenen
Bestimmungen und Entscheidungen ist der Reichskanzler an die Stelle des
Bundesrats getreten (Ges. $ 1 Ziff. 3).
4. Die wichtigsten Abweichungen des Kolonialbeamtenrechts von dem
allgemeinen Reichsbeamtenrecht betreffen den Gerichtsstand ($$ 7, 8), die
Versetzung in ein anderes Amt oder in den einstweiligen Ruhestand ($$ 11, 12);
die Pensions- und Wartegeldsansprüche und die Berechnung der Dienstzeit
($s$ 15—28); die Kolonialdienstunfähigkeit ($$ 29—31); das Witwen- und
Waisengeld und Elterngeld ($$ 32—39); das Disziplinarverfahren ($ 40 ff.).
Besondere Vorschriften bestehen für richterliche Beamte, .Schutztruppen-
beamte und Polizeibeamte ($ 48 ff., 54, 55). Kolonialbeamte dürfen innerhalb
der Schutzgebiete nur mit Erlaubnis des Reichskanzlers Grundeigentun
erwerben oder sich an Erwerbsunternehmungen beteiligen ($ 6).
5. Durch das Reichsges. v. 7. Sept. 1911 (RGBl. S. 897) sind die Tage-
gelder, Fuhrkosten und Umzugskosten der etatsmässigen Kolonialbeamten
festgestellt; für die nicht etatsmässigen Kolonialbeamten werden die ihnen
zu gewährenden Vergütungen innerhalb dieser Beträge vom Kolonialamt
bestimmt. Auf Dienst- und Versetzungsreisen innerhalb eines Schutz-
gebiets findet dieses Gesetz keine Anwendung ($ 19). |
XI. Für Gesellschaften, welche sich für die Kolonisation der
deutschen Schutzgebiete, für den Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen
in denselben oder für ihre Verwaltung (Ausübung von Hoheitsrechten)
bildeten, erwiesen sich die rechtspolizeilichen Vorschriften des Aktienge-
setzes als hinderlich und zu beengend. Man ergriff daher anfangs den Aus-
weg, um für solche Gesellschaften die juristische Persönlichkeit zu erlangen,
1) Zur Ausführung des Gesetzes ist die kaiseıl. V. vom 3. Okt. 1910 (RGBi. 8. 1091)
ergangen. Ausgaben des Gesetzes mit Ergänzungen und Erläuterungen sind erschienen
v.K.Romberg, Mannheim u. Leipzig, und von Doerr 1910; eine systematische
Darstellung von H. Haarhaus, Karlsruhe 1912 (Freiburger Abhandlungen Heft 19).