216 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. 8 26
‘
Siebenter Abschnitt.
Die einzelnen Zweige der Verwaltung.
$ 26. Die auswärtigen Angelegenheiten !). Die Verwaltung der aus-
wärtigen Angelegenheiten umfasst die gesamte Tätigkeit des Reiches, um die
Rechte und Interessen desselben anderen Staaten gegenüber oder die Rechte
und Interessen von deutschen Reichs-Angehörigen im Auslande zu wahren.
Diese Tätigkeit wird teils von dm Auswärtigen Amte in Berlin,
teils von den Gesandtschaften und Konsulaten im Auslande selbst geleistet.
Im allgemeinen sind die Rechte der diplomatischen Vertreter und Agenten
durch Regeln des Völkerrechts und durch die Gebräuche des internationalen
Verkehrs bestimmt; staatsrechtliche Grundsätze finden nur in sehr beschränk-
tem Masse Anwendung.
I. Gesandtschaften. 1. Zuständigkeit des Reichs und
der Einzelstaaten?°). Das aktive und passive Gesandtschaftsrecht
des Reichs beruht nicht auf einem Satz der Reichsverfassung, sondern auf
der völkerrechtlichen Anerkennung des Reichs als politi-
scher Körperschaft. Denn das Gesandtschaftsrecht betrifft das Verhältnis
des Reiches zuanderen Staaten, kann daher nicht durch einen ein-
seitigen Willensakt des Reiches normiert werden. Die Reichsverfassung
bestimmt vielmehr nur, durch welches Organ das Reich das ihm nach völker-
röchtlichen Grundsätzen zustehende Gesandtschaftsrecht ausübt, indem
sie im Art. 11 dem Kaiser die Befugnis beilegt, ‚Gesandte zu beglau-
bigen und zu empfangen“ und ‚das Reich völkerrechtlich zu vertreten“.
Aber dieser Artikel enthält kein Verbot für die Einzelstaaten, mit fremden
Staaten einen diplomatischen Verkehr zu unterhalten und Gesandte zu ent-
senden oder zu empfangen. Hieraus folgt, dass auch die einzelnen Bundes-
glieder das aktive und passive Gesandtschaftsrecht ausüben können, wofern
fremde Staaten den diplomatischen Verkehr mit ihnen fortzusetzen geneigt
sind ?). Das aktive Gesandtschaftsrecht der Bundesglieder ist mit dem des
1) Zorn, Das deutsche Gesandtschafts-, Konsulaı- und Seerecht. In Hirths
Annalen 1882 8. 81ff., 409 ff. und Staatsrecht II $ 35. Hübler, Die Magistra-
turen des völkerrechtl. Verkehrs. Berlin 1900; v. Ullmann, Völkerrecht (1908)
S. 154 ff., woselbst zahlreiche Literaturangaben.
2) Vgl. Hänel, Staatsr. I S. 53lff. v. Ullmann S. 162 ff.
3) Eine ausdrückliche Anerkennung hat das Gesandtschaftsrecht der Einzel-
staaten überdies gefunden in dem Schlussprotokoll zu dem bayerischen Bündnis-Ver-
trage v. 23. Nov. 1870 Art. VII und VIII. Von diesem Gesandtschaftsrecht können sie